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C10H5ClN2! Nein, keine Angst – Sie müssen nicht noch mal die Schulbank drücken. Das, was hier so kryptisch daherkommt, ist der offizielle Name und die Summenformel für CS-Gas. CS-Gas ist ein Reizgas. Und damit vom Genfer Protokoll im Krieg ausdrücklich verboten [1]. 137 Staaten haben diesen Vertrag ratifiziert.

Gastartikel : Martin Kaeser

Im Krieg verboten? Ja, aber eben nur da. Polizeien aller Staaten nutzen ein im Krieg verbotenes Gas, um die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten. Allerdings scheint die »Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung« jeglichen Dialog zwischen Politik und Bürger von vornherein auszuschließen. »Occupy Wall Street«-Aktivisten saßen friedlich in einer Reihe auf dem Boden und Polizisten defilierten mit CS-Spraydosen vor den Demonstranten auf und ab und nebelten sie dabei mit dem Kampfgas ein. Viele der Demonstranten mussten sich daraufhin in ärztliche Behandlung begeben, weil dieses Kampfgas eben nicht so harmlos ist, wie es uns die Law-and-Order-Politiker glaubhaft machen wollen [2].

Auch der gerade in diesen Tagen stattfindende Castor-Transport wird mit Tränengaseinsatz begleitet. In Valognes, einer französischen Kleinstadt, trafen sich Umweltaktivisten aus aller Herren Länder, um den Castor-Transport aus La Hague zu stören. Die Polizei hat zu beiden Seiten der Geleise eine Sperrzone eingerichtet, welche nicht betreten werden darf. Entlang der Geleise liegende Schulen wurden schon gestern geschlossen. Warum schließt die Verwaltung Schulen, welche in der Nähe der Eisenbahnlinie liegen? Ist der Transport der wiederaufbereiteten Brennstäbe so gefährlich? Die Schulen wurden geschlossen, weil die Verwaltung schon im Voraus beschlossen hatte, mit aller Härte gegen die Demonstranten vorzugehen und dabei natürlich auch CS-Gas einzusetzen. Nicht involvierte Personen sollen vor den Auswirkungen des Gas-Einsatzes geschützt werden. Dieses Vorgehen ist natürlich richtig und sinnvoll. Doch gerade dieses Handeln beweist, dass die Verwaltung keinesfalls an einem, wie auch immer geführten Dialog, interessiert ist. Nicht die viel gerühmte Deeskalation steht hier im Vordergrund, sondern die Schaffung eines Bürgerkriegsähnlichen Szenarios, damit auch friedliche Demonstranten kriminalisiert werden können.

In Europa geraten zunehmend alle von Bürgern organisierte Protestaktionen in Visier der Behörden. Ob »Occupy«, Castor-Transport oder Stuttgart 21 – die Behörden gehen immer härter auch gegen friedliche Demonstranten vor. Doch gerade in Staaten mit einer repräsentativen Demokratie, und das sind die meisten in Europa, versprechen nur großangelegte Demonstrationen der Bürger Erfolg darauf, von den Regierenden auch gehört zu werden. Natürlich müssen Demonstrationen aller Art friedlich verlaufen. Hier sind sicherlich auch die Veranstalter solcher Aktionen in die Pflicht zu nehmen. Doch wenn die Aggression zunehmend von Seiten der Behörden herkommt, ist nicht mit friedlichen Demonstranten zu rechnen. Gerade bei den jetzt stattfinden Umwälzungen in der EU kommt einem schon der Gedanke, dass die entstehende Diktatur an Demonstranten die »Befriedung von Massen« übt.

ßbrigens: in Deutschland dürfen sich, laut Waffengesetz, auch schon 14-jährige im Umgang mit diesem Kampfstoff üben.

[1] Das Protokoll über das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der am 17. Juni 1925 in Genf unterzeichnet wurde (Quelle: Wikipedia)
[2] In sehr hohen Dosen oder bei empfindlichen Personen (z. B. Asthmapatienten) können die so genannten »Tränengase« ebenfalls zu Hautreizungen, Atemnot oder Augen- und Lungenschäden führen und in ausreichender Konzentration tödlich sein. (Quelle: Wikipedia)

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