Wer sind die sogenannten “Reichsdeutschen”? – Eine kritische Betrachtung

Das ZDF hat auf seinem Spartenkanal „ZDFneo“ über sogenannte „Reichsdeutsche“ berichtet. Wer sind diese Leute, was treibt sie an und was steckt hinter ihrer Ideologie?

Das Zustandekommen der Theorie

Zahlreiche Menschen sind unzufrieden mit der Politik unserer Regierungen und fühlen sich von Politikern, Konzernen und Medien hintergangen. Dass dieses Gefühl in vielen Fällen auch berechtigt ist, zeigen u.a. die Recherchen des ORF in Bezug auf Kriegspropaganda.
Leider führt diese kritische Haltung bei manchen Menschen dazu, dass sie sich in eine Ideologie hineinsteigern und dies letztlich sogar teilweise dazu führt, dass sie sich eine Verschwörung „herbeisehnen“ (siehe angeblich geplanten Atomanschlag auf Berlin 2011).

Die Ideologie der „Reichsdeutschen“

Welche Ideologie vertreten die „Reichsdeutschen“, die die Farben und Fahnen des deutschen Kaiserreiches tragen und sich in ihren nostalgischen Uniformen gezielt martialisch geben? Um diese Frage zu beantworten, genügt es, ihre Äußerungen etwas genauer zu betrachten.

Grundlage ihrer Ideologie ist die Annahme, dass die Bundesrepublik Deutschland kein Staat sei und deshalb das Deutsche Reich weiterhin uneingeschränkt existiere. Dabei scheint es so, als würden die „Reichsdeutschen“ das Deutsche Reich verehren und es sich um jeden Preis zurückwünschen. Dass die Staatsstruktur, die Verfassung sowie der Grundrechteschutz der Weimarer Republik aus heutiger Sicht absolut inakzeptabel ist, wird dabei vollkommen ausgeblendet.

Die Aussage, dass er nicht genau wissen könne, was zwischen 1933 und 1945 in Deutschland mit Menschen jüdischen Glaubens geschehen ist, mag objektiv betrachtet korrekt sein. Dies kann tatsächlich niemand, der nach ’45 geboren wurde. Jedoch muss man sich die Frage stellen, welche Meinung hinter dieser Aussage steckt. Frau Brandenburger vom niedersächsischen Verfassungsschutz ordnet diese nicht umsonst dem rechtsextremen Gedankengut zu.

Interessant wird die Debatte beim Schwerpunkt der Ausländer. Die Aussage eines „Reichsdeutschen“ dazu war sinngemäß: „Die Deutschen werden durch die Ausländer nach unten gedrückt. Sie können zwar gerne leben, aber doch bitte nicht unbedingt in Deutschland.“ Diese Aussage erinnert unweigerlich an die ehemalige Parole der NPD „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“. Dass gerade diese Ausländer unsere Kultur, unsere Gesellschaft und unsere Industrie auch stark bereichern, wird dabei immer gerne unter den Teppich gekehrt. Natürlich gibt es auch Probleme der mangelnden Integration, jedoch wird ein derartiges Schwarz-Weiß-Denken der Thematik sicher nicht gerecht.

Es wird ersichtlich, dass sich unter den „Reichsdeutschen“ zahlreiche Anhänger von rechtsextremen Ideologien befinden, die unter dem Vorwand, sich kritisch mit Rechtsfragen auseinandersetzen, eine Ideologie transportieren, die zwar nicht auf den ersten Blick ersichtlich wird, deshalb aber umso bedenklicher ist.

Falsche bzw. verkürzte Aussage von Dr. Staadt

Zu kritisieren ist allerdings auch die Behauptung von Dr. Jochen Staadt, dass es keine „BRD GmbH“ gäbe. Diese Aussage ist jedenfalls stark verkürzend, letztlich so allerdings keinesfalls korrekt. Denn tatsächlich gibt es eine Institution namens „Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH„. Was Dr. Staadt wohl letztlich damit ausdrücken wollte, ist dass der Staat Bundesrepublik Deutschland selbst natürlich keine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist, sondern es sich bei der „BRD GmbH“ lediglich um ein Unternehmen des Bundes handelt, welches für die Schuldenverwaltung und Liquiditätsbeschaffung zuständig ist.

Die Fakten

Die Behauptung, Deutschland besäße keine Verfassung:
Immer wieder kommt die Behauptung auf, das Grundgesetz sei keine Verfassung, da es keinen Geltungsbereich besitze und nicht vom Volk gewählt wurde. Abgesehen davon, dass in der Präambel (welche nach dem Bundesverfassungsgericht zweifelsohne zum Grundgesetz gehört und Rechtsgültigkeit besitzt) der Geltungsbereich eindeutig definiert ist, muss eine gültige Verfassung keinen exakt ausgeschriebenen Geltungsbereich besitzen, wie das Beispiel Frankreichs zeigt. Auch gibt es keinerlei Bestimmungen, die festlegen, dass eine Verfassung vom Volk gewählt sein muss, um gültig zu sein. Ansonsten hätte Deutschland nie eine gültige Verfassung gehabt.

Die Behauptung, Deutschland benötige zwingend einen Friedensvertrag:
Ebenso weit verbreitet ist unter Rechtsextremen die These, dass Deutschland sich immer noch im Krieg befände, da es nach dem 2. Weltkrieg keinen Friedensvertrag gegeben habe. Jedoch ist ein Friedensvertrag völkerrechtlich nicht zwingend erforderlich, um den Krieg zwischen zwei (oder mehreren) Nationen zu beenden. Dazu ist die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen ebenso ausreichend wie die faktische Wiederherstellung des Friedens. Das Völkerrecht sieht eben nicht nur eine einzige Möglichkeit zur Friedensherstellung vor, sondern zahlreiche.
Deutschland hat einen Friedensbeschluss unterschrieben, der den Frieden der beteiligten Länder vertraglich festhält. Friedensverträge dienen nur weiterer Auflagen, um die Deutschland herumgekommen ist. Der „Vertrag von Versaille“ war ein solcher Friedensvertrag und wozu das in Deutschland geführt hat, ist bekannt.

Die Behauptung, der Personalausweis kennzeichne die Bürger als Personal:
Behauptet wird, wir seien das „Personal einer Firma“, daher würde auf unseren Ausweisen auch eindeutig „Personal“ stehen. Fakt ist, dass der dazu gehörige Wortstamm die „Personalien“ sind – also die Personen bezogenen Daten. Und genau das ist es, was der Personalausweis ausweist: die auf die Personen des Inhabers bezogenen Daten. (siehe dazu den Artikel von Lotus-Online.de)

Was bleibt am Ende?

Was bleibt nun übrig, wenn man die Sachlage in Ruhe betrachtet? Zum einen führt die Politik unserer Regierungen bei der Bevölkerung (wohl nicht zu Unrecht) zu einem Gefühl der Ohnmacht sowie der Ausbeutung der Steuerzahler durch die Politiker. Dies führt zu einer steigenden Unzufriedenheit der Bürger und der Suche nach (mehr oder weniger zielführenden) Auswegen aus diesem System. Auf der anderen Seite sehen wir aber auch ideologisch verblendete Menschen, die der festen Überzeugung sind, das Richtige zu tun. Sie von diesem Gedanken abzubringen, ist fast unmöglich, da ihr Weltbild feststeht und sie in den meisten Fällen leider nicht mehr in der Lage zu sein scheinen, Fakten objektiv zu betrachten, ihr Weltbild zu reflektieren und Gegenmeinungen zu akzeptieren. Ein derart dogmatisches Weltbild ist definitiv nicht förderlich, jedoch solange es nicht zu Gewalttaten oder anderen Straftaten führt, für die Allgemeinheit nicht sonderlich gefährlich.

Dass sich die Politik unserer Regierenden dringend drastisch ändern muss, steht außer Frage. Darauf haben wir aber nur bedingt Einfluss. Wünschenswert wäre es deshalb aber sicherlich auch, wenn die „Reichsdeutschen“ ihre Kraft und ihr Engagement in ein friedliches Zusammenleben mit ihren Mitmenschen (auch denen unterschiedlicher Kulturen) legen würden, jedoch ist es jedem selbst überlassen, nach seiner Facon glücklich zu werden, solange er anderen damit nicht schadet.

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