Toll Collect: Ein Krimi, bei dem es um Milliarden geht

Wir schreiben das Jahr 2002, die Ausschreibung für das Mautsystem sind gelaufen und eine Gruppe von bestens gekleideten Managern trifft sich in Hinterzimmern, um einen Vertrag zu unterzeichnen, der niemals an die Öffentlichkeit gelangen sollte. Beteiligt seinerzeit die Daimler AG, die Deutsche Telekom, das französische Unternehmen Cofiroute und das Verkehrsministerium. Es ging um jährlich Milliarden für den Staat und immerhin 650 Millionen Euro für den Betrieb gehen an das Toll Collect Joint Venture. Nun steht Toll Collect mit rund 7 Milliarden für Vertragsstrafen, geltend gemachten Ausfällen und Zinsen in der Kreide. Laut Informationen, die dem Manager-Magazin vorliegen, steht ein Vergleich in Höhe von 2,5 Milliarden im Raum. Es lohnt sich genauer hinzusehen.


Während in Berlin schon die Köpfe über eine PKW-Maut rauchen, ist ein altes Thema kaum noch Gegenstand der Diskussion – die LKW-Maut. Eigentlich erstaunlich, wenn man sich vor Augen führt, dass ein vierköpfiger Haushalt mit etwa 150 Euro im Jahr dafür belastet wird. Selbstverständlich haben die Unternehmen die Kosten für die Maut bereits lange in die Produkte und Dienstleistungen eingepreist, besonders das Transportwesen leidet massiv unter den ständig steigenden Preisen.

Begeben wir uns zurück zum Beginn des Mautprojektes. In der schummerigen und nebeligen Luft liegt ein satter Duft von Vorteilnahme und Korruption. Es ist schwierig, genau zu durchblicken, wie viele Schweine auf der Reise dieses Vertragswerkes mit Speck eingerieben wurden, aber die Vermutung liegt nahe – es waren einige.

Der Ursprüngliche Vertrag soll eine wesentlich höhere Strafe vorgesehen haben, als eine stark verkürzte Version, welche überarbeitet zur Verfügung gestellt wurde. Bei Wikipedia heißt es hierzu:

Der Antrag von Jörg Tauss (MdB, damals SPD), den Vertrag unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz einzusehen, wurde abgelehnt. Eine um die Geschäftsgeheimnisse von Toll Collect bereinigte Version zu erstellen, lehnte das Verkehrsministerium „mangels Sachverstands im eigenen Haus“ ab.
[…]
Die im Vertrag vereinbarte und seit Dezember 2003 fällige Vertragsstrafe ist Presseberichten zufolge wesentlich niedriger als der ursprünglich in der (geheimen) Ausschreibung vorgesehene Betrag. Der Grund für die nachträgliche Reduzierung des Betrages zugunsten von Toll Collect ist unbekannt.[1]

Einen kurzen Blick wollen wir auch noch auf einen weiteren Profiteur lenken, der in der Öffentlichkeit viel zu wenig Aufmerksamkeit bekam. Die Rede ist von der Firma AGES Maut System GmbH & Co. KG, welche damals – wegen einem um mehrere hundert Millionen teurerem Angebot – von der Ausschreibung ausgeschlossen wurde.

Eine Beschwerde beim Düsseldorfer Oberlandesgericht, welcher stattgegeben wurde, hatte aufschiebende Wirkung und verhinderte erneut die Vergabe des Maut-Auftrages an Toll Collect. Das Ringen und Zerren hätte sehr viel Zeit gekostet und so kam doch noch kurzfristig eine Einigung zustande.

Für eine bereits vorhandene Abrechnungssoftware wurde eine Jahresmiete von etwa 150 Millionen Euro vereinbart (Vertrag ab Seite 43). Unterzeichnet wurde der Vertrag am 20. September – zwei Tage vor der Bundestagswahl 2002. Im Vertrag mit der AGES war auch ein entsprechendes Druckmittel eingebaut, so heißt es auf Seite 23 unter 14.8: AGES hat das Recht, durch schriftliche Erklärung bis zum 04.10.2001 gegenüber BeGe von diesem Vertrag zurückzutreten. Die Vertragsstrafen gegenüber der AGES sind im Gesamtkontext als zu vernachlässigen zu bewerten. Wie es scheint, ein sehr risikoloses Geschäft, wenn auch einseitig.

Wenn nun 2015 die Verträge auslaufen, soll die Vergabe der Mauterhebung neu ausgeschrieben werden, einige Softwareprobleme scheinen nach dem jetzigen Stand nicht lösbar. So stand im Februar 2012 in der FAZ zu lesen:

Die Mautverträge mit Toll Collect laufen bis August 2015. Obwohl das System einwandfrei funktioniert, ist das Ministerium offenbar unzufrieden, auch weil die technischen Kapazitäten sich als begrenzt erweisen. Die Kapazität der Bordgeräte in den Lastwagen ist fast ausgereizt. Das Aufspielen weiterer Mautstrecken birgt die Gefahr des Zusammenbruchs des Gesamtsystems, das 12.000 Kilometer Autobahnen umfasst.[2]

Zum Abschluss dieses Artikel sollte der Blick noch kurz auf zwei Charts fallen, erst der Vergleich bringt die Erleuchtung. Das Thema an sich bietet genügend Stoff für ein Buch, allerdings wollen wir hier nur die wichtigsten Fragen aufwerfen. Beachten Sie bei dem ersten Chart bitte die roten Umrandungen. Auch das Konjunkturpaket ist ein Bundesmittel.

Chart: Wikipedia

Das sieht doch zunächst einmal sehr gut aus, könnte man denken. In den Köpfen sind noch die etwa 3,3 Milliarden Mauteinnahmen und wie es scheint, geht der Einsatz von Haushaltsmitteln drastisch zurück und die Maut deckt wirklich die Kosten. Das wäre fast zu schön, um wahr zu sein und meinen Leitspruch zu dieser Aussage sollte hinlänglich bekannt sein. „Wenn etwas zu schön ist, um wahr zu sein, dann ist es meist auch nicht wahr!“ Die Daten für 2011, 2012 und 2013 sind nur geplant und der kommende Chart wird noch ein weiteres an Erklärung bieten.

Fazit: Es dürfte sehr wahrscheinlich hinter verschlossenen Türen zu einem Vergleich kommen und die 7 Milliarden-Forderung auf 2,5 Milliarden oder gar weniger verkürzt werden. Rückstellungen seien nicht einmal für eine stark reduzierte Zahlung gebildet worden. Das MM schreibt dazu: Insider sagen allerdings, dass einige der angedachten Zugeständnisse des Bundes rechtlich umstritten sind. Daher sollen sie – ebenso wie die Vergleichssumme – nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Wiedermal werden sich die Konzerne aus der Schlinge ziehen und der Bürger wird die Konsequenzen tragen. Unsere Regierung hat die Spendierhosen an und verschenkt im Rausch an allen Ecken Milliarden, warum also nicht auch hier? Mit der Beteiligten Daimler Financial Services könnte man das dann auch unter der Rubrik „Bankenrettung“ verbuchen?

Carpe diem

[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Lkw-Maut_in_Deutschland
[2] http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/toll-collect-bund-erwaegt-trennung-11650626.html
Artikel, der mich inspirierte: http://www.manager-magazin.de/unternehmen/it/0,2828,870344,00.html
Bildquelle: Fotolia – Klaus Foehl

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10 Responses to Toll Collect: Ein Krimi, bei dem es um Milliarden geht

  1. Jens Blecker sagt:

    Spannen ist in diesem Zusammenhang auch der Zeitraum um die Affäre Tauss in Zusammenhang mit Kinderpornografie:

    Toll Collect

    Nach der Einführung eines Kontrollsystems für die Lkw-Maut stellte Tauss 2005 unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen den Antrag, die nach dem Vergabeverfahren zur LKW-Maut in Deutschland mit dem Konsortium Toll Collect ausgehandelten Verträge einzusehen. Dieser Antrag wurde jedoch abgelehnt.[23] Tauss legte Klage gegen diese Entscheidung ein, diese wurde jedoch im Juni 2008 mit der Begründung eines laufenden Schiedsverfahrens und der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen abgewiesen.[24][25] Diese Entscheidung ist rechtskräftig.

    http://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%B6rg_Tauss

    Das Verfahren gegen Tauss begann zwar erst 2009 aber die Ermittlungen wurden schon deutlich früher ins Leben gerufen.

  2. freifrau sagt:

    Ich hab den Artikel heut morgen gelesen und bin dann erst mal an die frische Luft, sonst wäre ich geplatzt. Danke an Jens für das Aufgreifen des Themas.

    An Alle : Wann und ich frage wirklich W A N N gehen wir endlich auf die Strasse und setzen diesem Spuk ein Ende?????
    Immer nur in ellenlangen Kommentaren über die Probleme intellektuell daherzu faseln BRINGT GAR NIX!

    Auf der letzten Demo Gegen Kapitalismus und EU – Solidarität mit den Streikenden in Südeuropa am 14.11. waren in Kölnn nur jämmerliche 300 Leute und zum Ende (wegen der Kälte) nur noch traurige 50. Wahrscheinlich waren die alle mit dem Internet beschäftigt. So wird das nie was.

  3. Habnix sagt:

    Wer bracht wofür ein Auto ?

    Eben nicht auf die Straße, wo man von überall auch mit Drohnen und sonstigen Kameras beobachtet werden kann und das noch nicht mal mit dem Auto.

    Die Strukturen die mit unsere Hilfe gebaut wurde aber gegen uns eingesetzt wird, sollte deswegen auch nicht von uns genutzt werden, denn, wenn wir sie nutzen liefern wir uns dieser Struktur selber aus.

    Mein Dilemma ist, das scheinbar viele nicht mit mir die Strapazen meines Lebens mit gegangen sind,denn sonst hätten sie ungefähr die selben Erfahrungen gemacht und kämen zur selben Lösung.Obwohl viele darum wissen das ich es nicht leicht hatte und eher ihre Vorteile daraus ziehen wollte oder taten, haben sie nicht erkannt das sie selbst Opfer der gleichen Dinge sind wie ich es und andere bin.

    Was mir ein Rätsel ist das viel Opfer des Systems sich als Opfer des Systems gar nicht wahr nehmen.Es gibt sogar Menschen im Knast, die sicher aus Neid einen Fehltritt begannen haben, den aber das System verursacht hat in dem es die Rahmen Bedingung gesetzt hat, das aber demjenigen nicht bewusst war und es auch ihm in der Schule nicht bewusst gemacht worden ist.Das wär ja noch schöner. 😉

  4. Habnix sagt:

    Ach übrigens ich hatte ja schon gehört, das die Maut so und so viel an Milliarden eingebracht hat,hatte aber auch gehört dass das Unternehmen in den Miesen steckt und hab mir gedacht das kann doch eigentlich gar nicht sein bei so viel Milliarden und weiter hab ich mir gedacht da halten wieder ein paar Leute ungerechterweise die Hände auf.

    Meldet die Autos ab und der Spuk geht vorbei, weil dann sofort alles pleite ist.

    Spart euch die Hundert Euro Anmelde Gebühr zusammen falls es nicht funktionieren sollte.Um das Auto wieder neu anzumelden.

    Das ist eine Idee von mir also wann machen wir die Aktion?

    Genügend Vorlauf sollte man schon haben, damit sich genügend Leute das Geld zusammen sparen können und falls
    ich noch Hundert Euro mehr hätte, würde ich sie gern anderen das Geld geben um damit sie mit machen bei der Aktion.

    Wenn der Schacht Schneider es ehrlich meint, dann würde er das selbe vorschlagen,denn der glaubt wohl nicht das jetzt noch irgendwas zu retten ist.Das Boot ist schon unter der Wasseroberfläche.

  5. Habnix sagt:

    Nur noch eine letzte Luftblase hält das Boot knapp unter der Wasseroberfläche also wann verabschieden wir das Boot in die Tiefen des Menschlichen Irrtums mittels Abgemeldeter Fahrzeuge ?

  6. querulant sagt:

    Das System wird man nur aus den „Angeln heben können, wenn tausende, wenn nicht sogar Millionen in D die Autos „abmelden“.
    Da die Meisten vor den Folgen (Zwangsvollstreckung bei säumigen Kfz-Steuer-Zahlern) aber einfach Angst haben und nicht wissen, wie man sich davor schützt, werden wir das „System“ noch lange ertragen dürfen.
    Der „Casus Knacktus“ ist doch, dass das Auto nicht pfändbar sein dürfte. Wenn man kein BRD´ler ist – an wen zahlt man dann eigentlich die Steuer ?
    Staatliche Selbstverwaltung – ist das die Lösung ?
    Hätte gern Auskunft von wirklich kompetenter Stelle.

  7. Jens Blecker sagt:

    Morgen kommt ein Artikel + Interview von einem Wirtschaftsjuristen der tatsächlich die Reißleine gezogen hat. Ihr dürft ehrlich gespannt sein ;)War sehr interessant das Interview. Kurzer Tip, es geht um Schuldenstreik, GEZ und das Finanzamt.

  8. Manitou sagt:

    Also ich war gestern Abend mal in der Innenstadt, vorbei am Wheinachtsmarkt und dann ins Kino.
    Was mir da an dekadenten egomanischen soziopathen begegnet ist, ist wirklich unter aller Kanone. Da dacht ich mir; für so ein Pack soll ich mir den Arsch aufreissen? mich als querulanten und „störer“ in die Dossiers der lieben Ordnungshüter mausern und auf Demos fotografieren lassen ? Ne Ne! *sichmitdemzeigefingerandieStirnTipp‘

    Und so ein Pack ist eindeutig in der Überzahl, meist über Tariflohn bezahlt würden solche Leute bis zum bitteren ende die Augen zukneifen. Mich für sowas zu Opfern wär ich mir viel zu Schade drum.

    Das ist die Realitaet und die haben und bekommen doch echt was sie verdienen.

    Jeder ist sein eigen glückes Schmied und lasst euch nicht verarschen.

  9. Habnix sagt:

    Ist die Idee gut könnte man sie ja im Internet verbreiten und warten wie viele sich schriftlich dafür aussprechen.

    Wenn das Auto vorübergehend abgemeldet ist, bezahlt man doch keine Steuer, weil man ja auch keine Straße nutzt. Wo also liegt das Problem ?

    käme es also zu einer massiven Positiven Resonanz wär die Sache im ersten schritt für unsere Seit schon gelaufen.Das zweite wäre und das wissen wir alle dass das System dann abstürzt was es aber auch ohne unser zu tun so wieso macht.Was aber danach, wenn das System abgestürzt ist,was dann zu tun ist also die Zeit nach dem System Zusammenbruch.Neu wieder das alte System anlaufen lassen oder bringen wir es endlich mal fertig ein Menschen würdiges System aufzubauen?

    Das alte nicht mehr tragbare System zu stürzen ist kein Problem aber etwas was nicht auf dieser barbarischen Römischen Tradition(Zivilisation) fußt, das hin zu bekommen wird schwierig sein.

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    X Zivilisation ist kultivierte Barbarei. X
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    Wenn wir aber am Alten System nichts mehr gewinnen können, wird das Neue auch nicht schlimmer eher besser also wenn der Blick auf das Alte untragbar wird,weil nur noch Elend zu sehen ist,dann liebe Leute erinnert euch meiner Idee und lasst uns das alte beenden und was neues anfangen,denn dann können wir nur noch gewinnen.

  10. Pappnase sagt:

    Nicht nur Toll collect – eine „tolle Kolekte“ würde die Kirche sagen,
    noch weitere Taschenfüll-Projekte ala Flughafen Berlin
    lassen da grüßen.

    Man muß eben Steuergelder verteilen dürfen um ungeschoren davon zu kommen.

    Beim kleinen Handwerker nimmt die Schäuble-Brut sogar die Buchstaben auf den Belegen auseinander, um etwas zu finden.

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