Die Repräsentativitätsheuristik – Einfach (stereo-)typisch…!

Häufig erscheinen uns Informationen als offensichtlich, intuitiv richtig oder sie stimmen mit unserem Erfahrungsschatz überein. Doch allzu oft verzerrt diese vermeintliche Plausibilität das Bild, auf dessen Grundlage wir Entscheidungen fällen. Irrationale Verhaltensmuster, die in diesem Zusammenhang auftreten, gehen meist mit Informationen einher, die wir subjektiv für repräsentativ erachten. In diesem Zusammenhang ist von der so genannten Repräsentativitätsheuristik die Rede, die zu falsch ausgelegten Wahrscheinlichkeitsurteilen bei Entscheidungen führen kann.

Die beiden Psychologen Daniel Kahneman und Amon Tversky, die als entscheidende Wegbereiter der modernen Verhaltensökonomik gelten, haben folgenden Versuch durchgeführt, der als das „Linda-Experiment“ bekannt wurde: „Linda ist 31 Jahre alt, alleinstehend, sehr intelligent und sagt offen ihre Meinung. Sie hat Philosophie studiert. Während der Studienzeit beschäftigte sie sich ausführlich mit Fragen der Gleichberechtigung und der sozialen Gerechtigkeit und nahm auch an Anti-Atomkraft-Demonstrationen teil.“ Nachdem zahlreiche Probanden diese Informationen über die fiktive Person Linda gelesen haben, wurden sie gebeten, das Zutreffen folgender Vorgaben nach ihrer Wahrscheinlichkeit zu ordnen:

 

  1.  Linda ist Bankangestellte

 

  1.  Linda ist in einer feministischen Bewegung aktiv

 

 

  1. Linda ist eine Bankangestellte und in einer feministischen Bewegung aktiv.

 

 

Bei jeder Auswertung entschieden sich etwa 80 Prozent bis 90 Prozent der Versuchspersonen dafür, dass die Variante Nr. 3 wahrscheinlicher sei als Variante Nr. 1. Nach einem wahrscheinlichkeitstheoretischen Grundsatz, der als Konjunktionsregel bezeichnet wird, kann die Wahrscheinlichkeit für ein verknüpftes Ereignis nicht größer sein als die Wahrscheinlichkeit der jeweiligen einzelnen Ereignisse – denn sie stellt lediglich eine Schnittmenge dar. Wenn Linda Bankangestellte und Feministin ist, ist sie automatisch schon Bankangestellte; ergo ist kein Grund dafür vorhanden, dass die Wahrscheinlichkeit bei Nr. 1 geringer sein sollte als bei Nr. 3. Dass dieses logische Prinzip so häufig verletzt wird, entsteht durch die so genannte Repräsentativitätsheuristik (RH). Diese Heuristik bzw. die mentale Faustregel, um Komplexität zu reduzieren und schnell zu einem Urteil zu finden, wird angewandt, wenn bei einem Objekt – in diesem Fall Linda – eine hohe Ähnlichkeit zu charakteristischen oder vielen Vertretern einer Objektklasse – hierbei einer aktiven Feministin – wahrgenommen wird.

 

Weitere Beispiele für eine Repräsentativitätsheuristik lassen sich ebenfalls finden, wenn die Wahrscheinlichkeit mathematisch relativ leicht nachzuvollziehen ist. Wenn ein Würfel sechs Mal in Folge geworfen wird, ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Reihenfolge 245612 gewürfelt wird genauso groß als wenn sie aus 666666 bestünde. Oder die Wahrscheinlichkeit für das Zustandekommen der Zahlenfolge „3, 12, 23, 29, 37, 42“ beim Lotto ist genauso groß wie für die „1,2,3,4,5,6“. Doch obwohl die statistische Wahrscheinlichkeit für beide Alternativen exakt gleich groß ist, sind die „durcheinander gewürfelten“ Abfolgen in unserer Wahrnehmung typisch. Die Repräsentativität des Unstrukturierten in unserer Wahrnehmung sorgt zumeist für eine systematische Urteilsverzerrung.

oguz_ikn_h2Das Denken in Schemata oder Stereotypen kann dazu führen, dass man Zusammenhänge zu erkennen glaubt, wo eigentlich keine vorhanden sind. Ein Musterbeispiel für eine so genannte Scheinkorrelation ist das ehemalige Börsensegment „Neuer Markt“. Während sich die Internet-Blase aufgebläht hat, wurde ein Börsengang am Neuen Markt mit hohen Wachstumsraten gleichgesetzt. Allein ein „.com“ am Ende des Namens hat ausgereicht, um einen Kaufrausch in der Bevölkerung auszulösen. Dass diese scheinbar begründete Wechselwirkung nicht gegeben war, hat sich mit dem Platzen der Internet-Blase letztendlich auf dramatische Weise gezeigt. Rückwirkend betrachtet war die damalige Übertreibung an den Börsen sehr irrational, worüber sich mittlerweile natürlich alle Börsianer einig sind. Doch wenn man sich mit der heutigen Distanz daran zurückerinnert, wird deutlich, welche verheerende Wirkung die RH auf die Anleger ausüben kann. Von auf einer repräsentativen Wahrnehmung beruhenden empirischen Zusammenhang wurde auf einen kausalen Zusammenhang geschlossen. Anders ausgedrückt, wurde aus der erfahrungsbasierten Wahrnehmung auf ein ursächliches Schema geschlossen. Grundsätzlich können derartige Wechselwirkungen zwar natürlich bestehen, in diesem Fall war sie jedoch im Großen und Ganzen unbegründet.

Wieso wertvolle Zeit mit der Analyse eines Sachverhalts vergeuden, wenn er offensichtlich ist? Unter diesem Gesichtspunkt ist die Neigung, zu schnell in ein vereinfachendes Schubladen-Denken zu verfallen, nachvollziehbar. Das menschliche Gehirn ist vielmehr so gestrickt, routinemäßig, verallgemeinernd und stereotypisch zu funktionieren als in den akkuraten Mechanismen der statistischen Wahrscheinlichkeitsrechnung. Aufgrund der Erkenntnisse bezüglich der RH kann es durchaus ratsam sein, Ansichten in Frage zu stellen, auch wenn sie plausibel erscheinen mögen.

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2 Responses to Die Repräsentativitätsheuristik – Einfach (stereo-)typisch…!

  1. chris321 sagt:

    Beitrag gefällt mir.

    Ich will aber zur überstürzten weil scheinbar plausiblen Wegfindung noch erwähnen, dass der menschliche Geist und die Reaktionen schnell sind, aber nicht im Vergleich zu einem schnellen Raubtier was auf Geschwindigkeit und noch mehr rudimentär plausible Reaktion (fressen) programmiert ist.

    Sprich: Je länger Du archaisch betrachtet gedacht hast, desto sicherer warst Du gefressen. Bist also dem schnelleren, dem rudimentäreren Muster zum Opfer gefallen.

    Wenn Du siehst, dass der Regen plötzlich seltsame Muster auf der Strasse zeichnet, Du z.B. da plötzlich „Buchstaben im Regen“ lesen kannst wie er fällt, dann hast Du die Möglichkeit aus lauter Neugierde da hin zu gehen und zu schauen. Du kannst das aber auch ganz anders interpretieren nämlich: Gefahr, RENNE (Flucht)! Wer hat am Ende richtig gehandelt. Nun, derjenige der gefressen wurde, wird dazu nicht mehr Stellung nehmen können. Am Ende kann sich auch rausstellen dass „die Regenbuchstaben“ wirklich nur REINER ZUFALL waren. Nur: In dem Fall leben beide Kandidaten noch.

    Der Mensch erkennt erst einmal instinktiv „fragliche Muster“ und das ist gut so. Das funktioniert aber nur so lange, wie die Sachen nicht GENAU WEIL DER MENSCH DIESE MUSTER ERKENNT UND DARAUF REAGIERT gezinkt werden. Wenn also im Beispiel oben HEUTZUTAGE von einem gezinkten Würfel auszugehen ist, dann gilt eben auch nicht mehr die Gesetze des Zufalls. Gutes Beispiel: In Fachkreisen ist bekannt dass Spielautomaten keineswegs dem Zufall gehorchen, sondern gezinkt sind. Und zwar zu Ungunsten des Spielers. Dieses Zinken wird wie ich verstanden habe sogar genau vom Finanzamt vorgegeben. Weiss kaum einer. Der Spieler der also gerade sein letztes Unterhemd verzockt, der weiss das nicht. Er MEINT, dass der Zufall gilt. Noch schlimmer, er meint wenn die Sonne scheint oder ein Geist ihm hold ist, gewinnt er gleich!

    Ok, gezinkt wurde schon immer. List und Tücke sind dem Menschen immer schnell zur Hand gewesen. Den Unterschied zu heute kann man aber z.B. in Drittweltländern erkennen. Es ist geradezu wahnsinnig wie leicht man die über den Tisch ziehen kann wenn man wollte. Die sind im Vergleich zu uns „hochentwickelten Verbrecherpack“ arglos wie Kinder. Das Niveau der Täuschung und Zinkerei ist also ungeheuer viel niedriger als bei uns heute. Dafür sind die rudimentären und archaischen Muster des Überlebens kaum noch von Bedeutung. Dort schon! Und auch die Reaktionen der Leute dort finde ich so „kindlich süss“. Da gibt es noch so richtige Schlägereien und danach fühlt man sich wieder wohl. Der eine tritt dem anderen mit seinen Stiefeln oder sonstwie und schimpft wie ein Kanarienvogel. Und danach gehen sie wieder auseinander. Es gibt dort aber auch „schwere Fälle von Gewalt“ wo bei uns schwer vorstellbar sind. Dass da jemand also den anderen mit der Keule einfach erschlägt, skalpiert oder anzündet ist in eskaliertem Zustand möglich. Daher sind diese Gebiete auch nicht ungefährlich. Kann man schneller als man denkt einfach erschlagen werden. Diese Extreme empfinde ich bei uns eher als Ausnahme.

    Denken wir jetzt mal wieder an die Indianer, an die Weissen die mit List und Tücke kamen und den Häuptlingen Alkohol gaben, den Frauen Perlen und danach „ewige Indianergrenzen“ vom „grossen Vater in Washington“ unterzeichnen liessen, die kaum 1 Monat später gebrochen wuden. Kommt uns das bekannt vor?

    Ich erinnere mich noch als Jugendlicher an Winetou und den Ölprinzen. Da sagt der Ölprinz: „Wir nehmen das Gold und noch die Frau!“ Irgendwer sagt darauf: „Wie kann man so tief gefallen sein?“ Wie würde man die Reaktion heute, also etwa 1/2 Jahrhundert später und nicht 1965 sehen? Vielleicht: „Wie kann man so gescheit sein?“

    Wenn man alte Krimis im Fernsehn schaut, dann gibt es Szenen die, wenn man sie in unseren heutigen Augen sieht sofort darauf hindeuten: Jetzt gleich passiert etwas, wird der erschossen etc. Ist aber nicht so. Die Muster von damals sind nicht die Muster von heute.

    Der Mensch ist „erwachsen geworden“, zum Meister des Zinkens und Täuschens. Wo er auch hinlangt, da gelten quasi die Gesetze des Zufalls nicht mehr. Bei allem was er vor hat, fragt er sich wie er die Lage „hinzinken“ oder „hinbiegen“ kann. Ein geradliniger, ein offener Weg ist ihm eigentlich fremd. Wir alle, wir der moderne Mensch, haben uns also auch in unserer Reaktion schon längst daran gewöhnt mit diesen „gezinkten Mustern“ zu leben.

    Das ist eine regelrechte geistige Evolution. Wenn ein Muster der Täuschung ausgelutscht ist, da keine Fliege mehr drauf reinfliegt, dann wird sofort nach einem neuen gesucht um quasi die Viecher ins Netz zu locken. Diese „sportliche Höchstleistung bzgl. Täuschung“ habe ich so in den Drittweltländern nicht erlebt. Die Virtualisierung die jetzt durch die Technologie bei uns angesteuert wird, ist dann die höchste Stufe der Täuschung welche der Mensch primär für seine eigenen Artgenossen gebaut hat. Die höchste Entwicklungsstufe mit gezinkten Karten zu spielen und die „Täuschung der Fliegen“ in diesem „NETZ der NETZE“ perfekt zu machen.

    Was ist bei all dem noch RH, also repräsentative Heuristik? Wenn die Täuschung perfekt ist, dann ist nichts mehr Zufall, auch wenn der SCH-EIN es so er-schein-en lässt dass es das S-EI-ENDE S-EI. Genau darum ging es dem Menschen doch am Ende!? Nichts ist repräsentativ, wenn der Zinker dahinter den Repräsentanten über die Rückkopplung unaufhörlich manipuliert.

    Damit ist die repräsentative Heuristik wie Sie es oben beschrieben haben denke ich viel zu statisch und linear gedacht. Besser lassen sich aus meiner Sicht diese Zusammenänge als ein Strudel in rekursiver Resonanz vergleichen. Es sind rückgekoppelte zyklische Regelkreise die sich aufschaukeln. In der Regeltechnik nennt man das dann integrales oder differenziales Aufschaukeln je nachdem wie hoch die Reaktivität bzw. Trägheit dieser Masse und Rückkopplung ist.

    Das ist auch alles mathematisch längst umschrieben und es haben sicher schon Programmierer in entsprechend leistungsfähige Maschinen eingegeben. Diese brauchen jetzt nicht mehr den Algorithmus, sondern das Datenmaterial, genauer gesagt: Das Objekt der Manipulation = DEN MENSCHEN!

    Also, warum diese ganzen Experimente? Warum diese Glaubensexperimente rund um „Osama fliegt ins Meer“, „Boston Zeugen fliegen aus dem Hubschrauber“ usw. Sie testen uns Schafe / Menschenaffen bzgl. der Virtualisierung. Sie brauchen die Ergebnisse nur in ihre intelligenten Supercomputer einzupflegen damit diese besser mit praktischen Menschendatenmaterial „getunt“ sind. Warum diese Menschenexperimente in Guantanamo bei denen man auch im wahrsten Sinne des Wortes schaut was „so ein ‚Menschenaffe‘ so alles schluckt“?

    Derzeit liefern wir ihnen bereitwillig und frei heraus das repräsentative Material für das grösste Täuschungsmanöver aller Zeiten. Wenn das Material vollständig ist, kann man mit den Affen spielen gehen, nicht wahr? Und wie ich schon bzgl. der digitalen Zertifikate sagte: Dieser Affe lässt sich ja gerade auch noch freiwillig die Handschellen anziehen um danach nur noch zum Futtertrog gehen zu können, wenn Herrchen ihm Freilauf lässt. Finde ich echt cool wie locker die das alle nehmen, was aus dem ehemaligen „homo sapiens“ letztendlich geworden ist als er MEINTE er sei der grösste Fortschritt aller Zeiten, besser als alles was je vor ihm gewesen ist. Jeder archaische Affe würde bei dem derzeitigen Fesselschauspiel quasi den Kopf schütteln und sagen: „Wie kann man nur sooooo superblöd sein sich das alles gefallen zu lassen?“

  2. Phoenix sagt:

    Auch wenn es das Grundthema nur leicht streift:

    Gestern habe ich bei ein paar Glühwein eine 2stündige Diskussion mit einem Kollegen gehabt die darum ging wie man die wahrscheinlichkeit berechnet am fr. den 13. 13jahre alt zu werden.

    Ich hatte einen lösungsweg aufgestellt der sich aus 3 prozentsätzen zusammensetzt. Er konnte mir diesen nicht widerlegen, er war ihm gefühlsmäßig zu einfach. Jetzt sind die rechengenies unter euch gefragt: Was ist der mathematisch korrekte lösungsweg ?

    Meinen lass ich aus Beeinflussungsgründen mal weg ^^
    Mein dank im Vorraus

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