Geschichte Der Woche: Das Leben auf der Überholspur

Wie immer war Jack etwas zügig mit dem Auto unterwegs. Schnell nach Hause war sein Gedanke als es auf einmal blitzt. Jack schaute kurz noch einmal auf seinen Tachometer, bevor er langsamer wurde: 73 in einer 50er Zone. Mist, das war das vierte Mal in gleicher Anzahl von Monaten.

Er fuhr rechts an den Straßenrand und dachte: „Lass den Polizisten doch wieder einmal herummosern über meinen Fahrstil. Mit etwas Glück würde ein noch schnellerer Autofahrer an ihnen vorbeiflitzen, an dem der Bulle mehr Interesse hätte.“

Der Polizist stieg aus seinem Auto, mit einem dicken Notizbuch in der Hand. War das etwa Bob? Bob aus der Kirche?

Jack sank tiefer in seinen Sitz. Das war nun schlimmer als der Strafzettel: Ein christlicher Bulle erwischt einen Typen aus seiner eigenen Kirche. Er stieg aus dem Auto um Bob zu begrüßen.

„Hi Bob. Komisch, dass wir uns so wieder sehen !“

„Hallo Jack.“

„Ich sehe du hast mich erwischt in meiner Eile nach Hause zu kommen, um meine Frau und Kinder zu sehen.“

„Ja, so ist das.“

„Ich bin erst sehr spät aus dem Büro gekommen. Diane erwähnte etwas von Roast Beef und Kartoffeln heute Abend. Verstehst du, was ich meine?“

„Ich weiß, was du meinst. Und ich weiß auch, dass du soeben ein Gesetz gebrochen hast.“

Aua, dachte Jack. Das ging in die falsche Richtung. Zeit, die Taktik zu ändern.

„Bei wieviel hast du mich erwischt?“

„Siebzig. Würdest du dich bitte wieder in dein Auto setzen?“

„Ach Bob, warte bitte einen Moment. Ich habe den Tacho sofort gecheckt, als ich dich gesehen habe! Ich habe mich auf höchstens 65 km/h geschätzt!“

„Bitte Jack, setz dich wieder in dein Auto.“

 

Genervt quetschte Jack sich wieder ins Auto. Ein Knall. Türe zu. Er starrte auf sein Armaturenbrett.
Bob war fleißig am Schreiben auf seinem Notizblock. Warum wollte Bob nicht seinen Führerschein und die Papiere sehen?

Dann klopfte Bob an die Tür. Er hatte einen Zettel in der Hand. Jack öffnete das Fenster, maximal 5cm, gerade genug, um den Zettel an sich zu nehmen. Bob reichte ihm den Zettel und ging dann zu seinem Auto, ohne ein weiteres Wort zu verlieren.

Jack faltete den Zettel auf. Was würde ihn dieser Spaß wieder kosten? Doch, Moment: War das ein Witz? Das war gar kein Strafzettel!
Jack las:

Lieber Jack,
ich hatte einmal eine kleine Tochter. Als sie sechs Jahre alt war, starb sie bei einem Verkehrsunfall. Richtig geraten; der Typ ist zu schnell gefahren.

Einen Strafzettel, eine Gebühr und drei Monate Knast und der Mann war wieder frei. Frei um seine Töchter wieder in den Arm nehmen zu dürfen. Alle drei konnte er wieder lieb haben.

Ich hatte nur eine und ich werde warten müssen, bis ich in den Himmel komme, bevor ich sie wieder in den Arm nehmen kann. Tausend Mal habe ich versucht, diesem Mann zu vergeben. Tausend Mal habe ich gedacht ich hätte es geschafft. Vielleicht habe ich es geschafft, aber ich muss immer wieder an sie denken. Auch jetzt. Bete bitte für mich.

Und sei bitte vorsichtig, Jack. Mein Sohn Ist alles was ich noch habe.

Bob

Jack drehte sich um und sah Bob wegfahren, bis er nicht mehr zu sehen war. Langsam fuhr auch er nach Hause. Zu Hause angekommen, nahm er seine überraschte Frau und die Kinder in den Arm und drückte sie ganz fest.

Das Leben ist so wertvoll. Behandle es mit Sorgfalt.


2 Responses to Geschichte Der Woche: Das Leben auf der Überholspur

  1. Jens Blecker sagt:

    Es ist interessant zu sehen wie das Leben beginnt zu pulsieren. Seit etwa 6.00 Uhr sitze ich an meinem Laptop, einen Kaffee, eine Zigarette und auf der Suche nach der passenden Geschichte der Woche.

    Im Hintergrund läuft die sinnige Musik von Einaudi

    http://www.youtube.com/watch?v=U8zXLQCx5gw&list=RD_RyPFwAWSKM

    Um besser zu verstehen was die Leser interessiert, schaue ich immer mal in Analytics.

    Gegen 6.00 Uhr waren nur einige wenige rastlose Geister unterwegs, ähnlich wie ich. Nach und nach sieht man wie die Menschen ihren Tag beginnen und das Leben anfängt zu pulsieren.

    Irgendwie ist das ein schönes Gefühl dem zuzuschauen. Jeden Tag auf ein neues haben wir die Möglichkeit unser Leben völlig neu zu ordnen und das ist auch gut so. Niemand ist alleine, auch wenn er sich einsam fühlen mag. Überall erwachen die Menschen jeden morgen und starten mit einer neuen Chance in den Tag um diesen für sich, für die Familie, für Freunde oder auch Fremde zu einem besseren Tag – vielleicht dem besten ihres Lebens zu machen.

    Willkommen in einem neuen, schönen Tag.

  2. Jens Blecker sagt:

    Selbst eine homöopathische Dosis Glück und Zufriedenheit kann den Selbstheilungsprozess in Gang bringen.

    Als mir dieser Satz eben durch den Kopf ging habe ich fast überlegt den Morgen als Zitat des Tages zu posten. Es stimmt aber wirklich.

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