Militarisierung der EU: Eurogendfor? – Diese Suche ergab keine Treffer!

Die Vorkommnisse beim Streitgespräch zwischen Sarah Wagenknecht und dem Chefredaktions-Mitglied des Stern Hans-Ulrich Jörges vom Stern am 16. Januar in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ haben hohe Wellen geschlagen. Mittlerweile sind sie ziemlich abgeebbt; wie so oft in unserer schnelllebigen Zeit ging das Abhaken eines öffentlich diskutierten Themas wieder einmal rasant von statten. Im Fall Lanz gab es massenhaftes Bashing und Shitstorm im Internet. Lanz und Jörges wurden zwar teils heftig kritisiert und sie haben sich auch entsprechend gewehrt bzw. die Kritik einfach ignoriert, doch eine sachliche und tiefgreifende Auseinandersetzung mit den Inhalten in der Sendung fand kaum statt. Wichtige Angelegenheiten, wie beispielsweise die Meinungsverschiedenheit bezüglich des Vorhandenseins eines EU-Militarismus, wurden öffentlich nicht hinterfragt. Dieses konkrete Beispiel sagt viel über die Funktionsweise unserer Massenmedien und ihre mediale Wahrnehmung in der Öffentlichkeit aus.


Sarah Wagenknecht in der Sendung dem Entwurf des Parteivorstands für das Wahlprogramm der Linkspartei zur Europawahl konfrontiert, in dem geschrieben steht, dass Europa eine militaristische Macht. Jörges bemerkte, er hätte seinen Augen nicht getraut. Er benahm sich sehr impulsiv und fast schon gallig und warf ein, dass die doch nicht einmal eine eigene Armee hätten. Wagenknecht entgegnete, dass nicht von einer militaristischen Union im Sinne des alten Preußens oder Nazi-Deutschlands gemeint sei. Sie erläuterte, dass auf dem letzten G-20-Gipfel über die Verbesserung der Rüstungs-Kooperation und über die Betreibung von Aufrüstung geredet wurde. Sie kritisiere, dass es Interventionstruppen geben werde, und dass man das wolle, und auch schon Ansätze dafür habe, dass sie immer mehr Aufrüstung betrieben. Wieder meldete sich Jörges lautstark zu Wort und entgegnete, dass das doch alles gar nicht stimme. Lanz stellte fest, dass das nur schrille und populistische Töne seien, für die man auch noch Applaus kriege. An dem Punkt, an dem sachliche Argumente und Fakten zum Greifen kommen müssten, um dem theoretisch-elementaren Zweck einer TV-Talkshow gerecht zu werden, wurde auf diese Weise ein Cut gemacht. Zur Diskussion, ob es einen EU-Militarismus überhaupt geben könnte und welche Begründungen dafür oder dagegen sprechen, dazu ist es nicht gekommen.

Wie militaristisch ist die EU denn nun? Ist der Alleingang Frankreichs in Mali letztes Jahr ein Indiz dafür, wobei sie zumindest rhetorisch von der USA und der EU Unterstützung erfahren haben? Oder von der Leyens Aussprache für ein stärkeres internationales Engagement der Bundeswehr? Die Ministerin könne sich vorstellen, dass die Bundeswehr einen Lazarett-Airbus zur Verfügung stellt, um verwundete Soldaten aus Zentralafrika zu evakuieren. Sie erwägt auch eine Aufstockung deutscher Truppenkontingente von 180 Soldaten auf 250 in Mali, um Frankreich beizustehen. Sie betont häufig humane Gründe, die im Vordergrund stünden, um der Zivilbevölkerung beizustehen. Ein militaristischer Grund ist nicht herauszuhören. Sie sagte auch, dass Europa im Spiel der globalen Kräfte nicht voran komme, wenn es um militärische Einsätze gehe, und die anderen unabgestimmt nach vorne stürmten. Diese Aussagen, die in den Mainstream-Medien mehr oder weniger im gleichen Wortlaut die Runde machten, erwecken nicht den Eindruck, dass es einen EU-Militarismus gäbe. Manchmal eher den, dass die Bundeswehr die Aufgaben des Roten Kreuzes übernehme.

Eine sachbetonte Recherche zu dem Thema zeigt, dass es verschieden Anzeichen gibt, die militärische Gedanken in der EU aufzeigen. Im Lissabon-Vertrag ist im Rahmen der GSVP (Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik) von einer auf zivile und militärisch gestützte Operationsfähigkeit die Rede. Die Union kann bei Missionen außerhalb der Union zur Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Vereinten Nationen zurückgreifen. Das bedeutet genau genommen, dass kein UN-Mandat nötig ist, um zu intervenieren. Eine Deckung der Prinzipien reicht aus. Die Diskussion über eine Europaarmee, die wieder im Gespräch ist, zeigt ebenfalls eine Tendenz in Richtung Militarisierung der EU.

In die NATO, die als Vorbild für die Europaarmee dient, sind bereits 20 EU-Länder involviert. Der Lissabon-Vertrag geht weiterhin darauf ein, dass die Verpflichtungen, die sich aus der NATO-Politik ergeben, geachtet würden. Sofern die USA und die Türkei sich nicht quer stellen, kann die NATO als militärisches Werkzeug politischer Interessen innerhalb der EU gebraucht werden, was in diesem Falle eine eigene Armee nicht unbedingt nötig macht. Vor allem, wenn auch die Regierungen aller 28 EU-Länder einstimmig eine militärische Aktion der NATO gutheißen würden. Die militärischen Kooperationen im Rahmen der GSVP werden enger. Der Lissabon-Vertrag betont die militärische Zusammenarbeit und ihr sukzessives Zusammenwachsen. Ob die militärbezogenen Ziele der EU, die einen Schwerpunkt in besagtem Vertragswerk bilden, als militaristisch anzusehen sind oder nicht, hängt letztendlich von der Definition und ihrer Interpretation ab.

Sogar transnationale paramilitärische Truppen sind in der EU bereits geschaffen. Die militärische Polizeitruppe EUROGENDFOR ist seit 2006 vollständig einsatzfähig und kann unter das Kommando der EU, der UN und der NATO gestellt werden. Andere Länder der EU können mit ihrer Militärpolizei jederzeit beitreten. Als sich die EUROGENDFOR im Entstehungsprozess befand, sagte der damalige deutsche Verteidigungsminister Peter Struck im Jahr 2004, die Aufgaben von Streitkräften und der Polizei würden sich in Deutschland deutlich voneinander unterscheiden. Deutschland ist bei derartigen Themen aufgrund ihrer Geschichte sensibel. Die Aussagen Strucks bezogen sich indirekt auf die Erfahrungen mit der paramilitärischen SS während der NS-Zeit. Eigentlich sollte das für Deutschland ein Grund mehr sein, die militaristischen Entwicklungen in der EU genauer zu beobachten – nicht zuletzt für die Medien.

Im Streitgespräch bei Lanz ist es nicht zu einer sachlichen Auseinandersetzung zum Thema EU-Militarismus gekommen. Das wäre auch verwunderlich. In TV-Talkshows dieser Art wird reingeredet, das „Wer hat das letzte Wort“-Spielchen gespielt oder die Populismus-Keule geschwungen, wenn Meinungen nicht ins Mainstream-Denken. Die Aufgabe politische Themen aufgreifender Medien sollte es sein, gegensätzliche Argumente gegeneinander abzuwägen und Entwicklungen kritisch zu hinterfragen. Auch bei der Frage militaristischer Tendenzen der EU. Wenn auf der Webseite des Stern der Begriff EUROGENDFOR gesucht wird, gibt es keine Treffer. Genauso das Gleiche passiert auf den Webseiten des Spiegesl, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Süddeutschen Zeitung, des Focus, der Tagesschau des Heute Journals. Dabei handelt es sich um die vermeintlichen Flaggschiffe des deutschen Medienjournalismus.

Die Voraussetzungen, sich kritisch mit den Entwicklungen zum Thema Militarismus in der EU auseinandersetzen zu können, sind damit von vornherein nicht gegeben. Denn eine sachbezogene, profunde und argumentativ ausgewogene Analyse findet nicht statt. Wichtige Fakten zum Thema, die Journalisten bei gründlicher Recherche problemlos zu finden wären, existieren in den Massenmedien so gut wie nicht. Menschen, die sich bewusst kritisch mit den Themen beschäftigen, werden dort nicht fündig. Und diejenigen, die potenziell skeptisch sind, sich aber hauptsächlich in den Massenmedien informieren, werden nicht darauf stoßen.

oguz_ikn_h2Eine Erkenntnis der zwei Protagonisten der modernen Medienwirkungsforschung – Maxwell McCombs und Donald Shaw, die 1968 mit ihrer US-Wahlkampfuntersuchung die so genannte Chapel-Hill-Studie erstellt hatten – besagt, dass die hauptsächliche Wirkung der Nachrichten in den Massenmedien nicht darin besteht zu sagen, was die Menschen in der Öffentlichkeit denken sollen, sondern worüber sie nachdenken sollen. Ob das Thema der militaristischen Tendenzen in der EU nicht vorhanden sind, weil die Menschen nicht darüber nachdenken sollen, oder ob es wegen Chefredakteuren mit Scheuklappen wie Jörges automatisch nicht erscheint, ist in diesem Zusammenhang eine weitere interessante Frage.


12 Responses to Militarisierung der EU: Eurogendfor? – Diese Suche ergab keine Treffer!

  1. Nver2Much sagt:

    Ich frage mich gerade, was eigentlich besser ist, das sie komplett schweigen, oder sie darüber Lügengeschichten berichten?

    Das ist doch deren Taktik, entweder stillschweigend über die brisanten Themen gehen, oder aber darüber berichten und dann alles ins Verkehrte drehen und ein Angst Thema daraus zu machen…

  2. Herbert Ludwig sagt:

    Dem Artikel ist nur zuzustimmen. Barroso hat ja die EU schon in die Nähe eines Imperiums gerückt. Sie setzt auch im Grunde den früheren Nationalismus der Einzelstaaten auf einer größeren Ebene als versteckten Europa-Nationalismus nur fort. Nationalismus ist kollektiver Egoismus und hat immer Imperialismus im Gefolge.

    „Unverblümt in dieser Richtung sind die Worte des Briten Robert Cooper, vormaliger Berater Tony Blairs und jetziger Top-Berater von Lady Catherine Ashton, der „Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitsfragen“, die er in seinem Buch „The Breaking of Nations“ (2003) geschrieben hat:

    „Beim Umgang mit der altmodischen Sorte von Staaten außerhalb der postmodernen Grenzen müssen sich die Europäer auf die rauheren Methoden früherer Zeiten zurückbesinnen: Gewalt, präemtive Angriffe, Täuschung, was immer auch für diejenigen notwendig ist, die noch in der Welt des 19. Jahrhunderts gefangen sind, wo jeder Staat für sich existierte. Im Dschungel muss man sich an die Gesetze des Dschungels halten.“

    Vgl.: http://fassadenkratzer.wordpress.com/2013/11/22/hintergrunde-der-europaischen-integrationsbewegung/

  3. Maulhure sagt:

    Interview Maybrit Illner mit Ex CIA/NSA Direktor/General Michael Hayden.
    Was spielt sich da im Mund bei Hayden ab während des Inteview mit Illner.
    Das sind keine Pixelfehler u.a bei Min.44.31 usw.

    Merkwürdig

    http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/2077698/Sind-die-USA-noch-unsere-Freunde%253F?setTime=10.211

  4. NO-TV sagt:

    Interessant fand ich auch die Agenda des Schulungsplans unserer TV-Anstalten, wie man mit Leuten wie Sahra Wagenknecht zu verfahren hat:

    http://www.goldseitenblog.com/heiko_schrang/index.php/Tagesgespraech-Schrang/der-geheimplan-hinter-markus-lanz-skanda

    Blöd nur für den „geschulten“ Moderator mit allenfalls politischem Halbwissen, wenn das Ganze in Hilflosigkeit ausartet, weil der Gesprächspartner in allen Belangen haushoch überlegen ist.
    Dann endet solch ein Interview wie bei Lanz…

  5. tom sagt:

    hihihi – sieht ja abgefahren aus … 😉

  6. Berg sagt:

    Außer jede Menge Karies kann ich da nix erkennen ? Was genau meinst Du denn ?

  7. Seb sagt:

    Mehr Informationen zur Gendarmerie Force als in allen MSM-Artikeln zusammen findet man übrigens hier.

    http://de.scribd.com/doc/31813665/EGF-Essay

    Ist zwar schon etwas älter der Text, aber als Einstieg ins Thema sehr gut geeignet.

  8. EuroTanic sagt:

    Die selbsternannten Eliten können den Status Quo nur durch mediale Maximumverblödung und brutaler Gewalt aufrechterhalten. Dazu bedarf es einer Armee, die ohne zu fragen ballert. Das gibt es meiner Meinung nach sicher bereits. Ein Problem haben sie aber. Sie benötigen auch hierfür die Kooperation der Bürger. Denn es schiessen immer Bürger auf Bürger. Also bekämpfen sich die Untertanen wieder sich selbst. Schliesslich wollen und können Rothschield, Kissinger & Co die Waffen nicht selbre in die Hand nehmen. Alleine hätten sie wohl eh keine Chance.

  9. Schon mal auf die Idee gekommen, dass es sich bei dem „Schulungsplan“ um einen Hoax handeln könnte?!

    http://www.schnappfischkapitalismus.de/2014/01/skandal-moderatoren-arbeiten-mit-psychologischen-tricks/

  10. NO-TV sagt:

    Nein, aber danke für den Hinweis!

  11. Tranfunzel sagt:

    @Hallojulia danke für den Link, FAZ lese sonst wenig. Mir dreht sich langsam wirklich der Magen um.
    Aber es ist genau das, was ich meinte mit Panettas Aussage 60% der US Flotte nach Südostasien zu verlagern.
    Fein, dann sind wir die „rough boys“ hier zwar los, aber das was sie übrig lassen, dürfen zwangsläufig „die Europäer“ erledigen.
    Und dieser Gauckler moniert sich noch über das Verhalten der Amis!! Das ist doch völlig logisch, da den Amis das Wasser bis zum Hals steht und sie sich auch finanziell gar keinen Krieg mehr „leisten“ können, ihren Militärplunder woanders hin zu schicken.
    Solln die Europäer mal sehen, wie sie damit klar kommen.
    Ich hoffe Russland und China werden nicht über die Maße provoziert und alles bleibt ruhig, nur alles verlagert.
    Ich möchte logischerweise auch kein China als „Supermacht“ anstelle der USA oder ein Russland, das auf dumme Gedanken kommt.
    Persönlich denke ich aber nicht das Putin&Co dahin gehend Ambitionen haben. Schachsteine wie Belorus, Georgien und Ukraine schon. Logo, wenn mein Gegner alle Staaten um mich herum „umdreht“ werde ich sehr sauer.

    China halte ich bezüglich Imperialismus für wesentlich unberechenbarer. China hat wenig Rohstoffe. Ein Land, das bislang noch gar nicht so im Blickpunkt liegt, ist die Mongolei!! Bitte mal nachlesen, was es darinnen alles für interessante Bodenschätze gibt!!
    China ist z.B. viel raffinierter und gefährlicher!! als andere. Man denke an Tibet. China hat Millionen Han Chinesen dahin umgesiedelt, so daß dort die alte tibetische Sprache und Kultur fast verschwunden sind.
    Da erzähle mir noch einer was über die ultrabösen Israelis. Der Staat Israel ist gerade mal so groß wie das Bundesland Hessen.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Autonomes_Gebiet_Tibet

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