Krisenherde der Welt – Der Konflikt in Venezuela

Fernab von der Berichterstattung deutscher Mainstream-Medien finden in Venezuela schwere Unruhen statt. Aus europäischer Sicht scheint das Land – gar ganz Lateinamerika – weit weg und damit relativ uninteressant zu sein. Nur ca. 700 km von der deutschen Grenze entfernten Ukraine findet immerhin ein brisanter und gefährlicher Konflikt statt. Wenn die geopolitischen Auseinandersetzungen sich in den verschiedenen Weltregionen verschärfen, wird die USA bzw. die NATO ihren Einfluss in Lateinamerika verstärkt ausüben. Damit ist auch Deutschland als Mitglied des Nordatlantikpaktes bisher mehr oder weniger indirekt von den Unruhen betroffen. In diesem zweiten Beitrag zur Reihe „Krisenherde der Welt“ werfen wir einen Blick auf den Konflikt in Venezuela.

Tumulte und Wortgefechte

Die Proteste in Venezuela begannen am 4. Februar, als Studenten auf die Straße gingen, um für die Freilassung inhaftierter Kommilitonen zu demonstrieren. Diesen Demos folgten Massenproteste, die sich gegen die rasch steigende Inflation und die Knappheit an Grundnahrungsmitteln richteten. Präsident Nicolás Maduro, der Nachfolger von Hugo Chávez, wird von den Oppositionellen und der USA für die desaströse Lage im Land verantwortlich gemacht. Politiker beider Länder liefern sich teils martialische Rhetorik-Schlachten. Venezuelas Außenminister Elías Jaua hat seinen Amtskollegen John Kerry einen Mörder genannt und ihn beschuldigt, die Gewalt in Venezuela angestachelt zu haben. Vorher hatte Kerry gesagt, dass Regierung in Caracas ihr eigenes Volk terrorisiere. Wie beim Ukraine Konflikt – wie auch bei den Farbenrevolutionen in Osteuropa und den Aufständen im arabischen Raum – wird der USA von den Regierungen vorgeworfen, dass sie versuchten, das Land bewusst zu destabilisieren.

CIA damals und heute

Die politischen Verhältnisse in Lateinamerika sowie in der Karibik waren in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts von einer bewegten Geschichte geprägt. Brutale Militärdiktaturen, erbitterte Drogenkriege und Revolutionen überschatteten die Entwicklungen. Der Einfluss der USA dabei war enorm. In verdeckten Operationen zielte die CIA darauf ab, Länder zu destabilisieren und Voraussetzungen Staatsstreiche zu schaffen. Das Beispiel des demokratisch gewählten Sozialisten Salvador Allende in Chile, der 1973 nach dreijähriger Amtszeit geputscht wurde, ist eines der bekanntesten. General Augusto Pinochet ergriff die Macht im Lande, woraufhin Korruption, Erpressung oder Bedrohung zunahmen und sogar Todesschwadronen eingesetzt wurden. Die CIA hat in einem im Jahr 2000 veröffentlichten Bericht eingeräumt, dass sie enge Kontakte zum Pinochet-Regime und seinen Geheimdiensten unterhalten hat.

oguz_ikn_h2Nachdem Hugo Chávez 1999 seine Präsidentschaft antrat, geriet Venezuela wieder stärker in das Fadenkreuz der USA. Der Versuch ihn und seine bolivarianische Regierung zu stürzen, schien 2002 bei einem Staatsstreich fast gelungen. Für kurze Zeit war Chávez von seinem Amt abgesetzt, und mithilfe der CIA durch den rechtsgerichteten Unternehmerpräsidenten Pedro Carmona ersetzt worden. Die Vereinigten Staaten hatten den durch sie unterstützten neuen Präsidenten anerkannten, doch innerhalb von 48 Stunden war Chávez wieder an die Spitze des Staates zurückgekehrt.

Der ehemalige US-Botschafter in Venezuela, William Brownfield, ist in einer auf WikiLeaks veröffentlichten Depesche auf die Pläne zum Sturz von Chávez eingegangen. Er erklärte darin, wie die US-Behörde zur internationalen Entwicklung USAID eingesetzt wurde, um NGOs durch die CIA zu infiltrieren bzw. technisch und finanziell zu unterstützen. Die Staaten des ALBA-Bündnisses, dessen Mitglieder aus lateinamerikanischen und karibischen Staaten wie aus Venezuela, Bolivien, Ecuador, Nicaragua oder Kuba bestehen, haben die USAID wegen verschwörerischer Aktivitäten des Landes verwiesen. Boliviens Präsident Evo Morales sagte, dass die verfolgten Ziele der Organisation eher politische als soziale seien.

In den einschlägigen linksgerichteten lateinamerikanischen Medien, wie bei dem von Hugo Chávez gegründeten Satellitensender teleSUR, wird häufig Raúl Capote zitiert. Der kubanische Ex-CIA Kollaborateur sagte, dass die CIA die venezolanischen Universitäten respektive oppositionelle Studentenbewegungen gezielt nutzten, um das Land zu destabilisieren. Venezuela wies drei Konsularbeamte aus, weil mit Studentenführern getroffen hätten. Unter dem Deckmantel Visa auszustellen, hätten sie sie darin instruiert, wie sie das Land destabilisieren können. Im Gegenzug hat die USA drei Konsulatsbeamte in Washington aufgefordert das Land zu verlassen.

NATO als neuer Nachbar?

Die USA wirkt nicht nur von innen heraus in die Politik Venezuelas ein, sondern auch außenpolitisch. Washington Post enthüllte letztes Jahr, dass die CIA aktiv mitgewirkt habe, um der kolumbianischen Regierung beim Lokalisieren und Töten der führenden Guerilla-Kämpfer zu helfen. Vor allem die Verstaatlichungspolitik bezüglich des Erdöls bzw. Erdgases in Venezuela – wie beispielsweise auch in Argentinien oder Bolivien – ist den US-Energiegiganten ein Dorn im Auge. Die Dauerrivalität zwischen Venezuela und Kolumbien, die eine gemeinsame Grenze haben, wird nach Ansicht Maduros seitens der USA bewusst geschürt. Dass Kolumbien mit der NATO ein Kooperationsabkommen unterzeichnet hat und sogar ein vollständiger Beitritt in Nähe rückt, gehört laut dem Präsidenten Venezuelas zu einem Destabilisierungs-Plan der USA. Er sprach sogar von expandierenden Kriegsplänen des Nordatlantik-Paktes in Südamerika. Boliviens Präsident Evo Morales hat wie sein nicaraguanischer Amtskollege besonders heftig darauf reagiert und eine Dringlichkeitssitzung der Organisation südamerikanischer Staaten UNASUR gefordert.

Indes gehen die Kooperationen zwischen Kolumbien und der NATO unvermindert weiter. Der kolumbianische Verteidigungsminister Pinzón erklärte, dass sie daran arbeiteten, „Partner der NATO“ zu werden, ein Beitritt sei auf absehbare Zeit nicht vorgesehen. Die südamerikanischen Einheiten nehmen seit längerer Zeit schon an Kursen und Trainings der NATO im Ausland teil. Die Zusammenarbeit des Landes mit dem Militärbündnis intensiviert sich fortwährend.

 

 

Die Expansion der NATO im westlichen Zentral- und Südatlantik wird von China und Russland mit Sorge betrachtet. China versorgt die venezolanische Regierung mit Waffen – und beispielsweise mit gepanzerten Fahrzeugen -, um gegen ihre Gegner vorzugehen. Die Beziehungen zwischen China und Venezuela sind auch von den international umkämpften Ölfeldern des Landes geprägt. Mehr als ein Drittel der Übersee-Kredite der Chinesischen Bank für Entwicklung gingen an Venezuela. 2012 hat Chavez ein Investitionsabkommen mit dem Reich der Mitte über 28 Mrd. US-Dollar abgeschlossen. Als Maduro im September letzten Jahres Peking besuchte, wurden zusätzliche fünf Milliarden Dollar bewilligt, die in Form von Öl zurückgezahlt werden sollen.

Russland sieht die militärische Präsenz Amerikas bzw. ihre Ambitionen in der Region mit Misstrauen. Putin hat geplant, weltweit Marine- und Militäranlagen zu errichten; unter anderem in Vietnam, Kuba und Nicaragua – sowie in Venezuela.

Fazit: Die Unruhen in Venezuela beinhalten eine international relevante Dimension. Die riesigen Ölreserven rufen die US-Ölmultis (und die Energie-Konzerne anderer Länder) auf den Plan – erst recht die USA, die sie sich erhoffen, dass ihre Chancen nach der Chavez-Ära gewachsen sein könnten. Wie auch in anderen Ländern geht die US-Administration nach dem altbekannten Muster vor, ihrer Regierung gesonnene und durch ihre Geheimdienste infiltrierte NGOs einzusetzen, um aus ihrer Sicht renitente Regimes von innen heraus zu destabilisieren; und durch den Einsatz des Militärs wird eine Drohkulisse aufgebaut. China und Russland liefern Waffen, schmieden militärische Kooperationen und investieren in die Energie-Infrastruktur, um den USA entgegenzuwirken und damit ihre eigenen Interessen zu wahren. Die Handlungsweisen der Konkurrenten im geo- und energiepolitischen Machtspiel gleichen sich hier wieder einmal.

Wie im Nahen Osten und zahlreichen anderen Regionen brodelt es auch in Venezuela gewaltig. Die Ukraine ist und bleibt nicht der einzige Krisenherd auf der Welt.


4 Responses to Krisenherde der Welt – Der Konflikt in Venezuela

  1. rainer vogel sagt:

    danke für diesen informativen Artikel.

    In diesem Zusammenhang ist der Dokumentarfilm auch sehr aufschlussreich – Economic Hitman.

    http://www.youtube.com/watch?v=Ui0NL3bb21o

  2. Ice-Dealer sagt:

    es ist wirklich abschäulich, was die USA dort in „ihrem Hinterhof“ getrieben hat und treibt. und genauso zu sehen, was die länder unternehmen, um sich davor zu befreien – und welchen „verbündeten“ sie sich anschließen, aus angst und hass..

    und durch die nato ein teil davon zu sein – widert mich an

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