„Anti-Terror“-Einsatz in der Ost-Ukraine und die Doppelmoral des Westens

Erinnern Sie sich noch an den Februar, als Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) für seine Initiative, ein Abkommen zwischen der damaligen ukrainischen Regierung und der Opposition auszuhandeln, von allen Seiten gefeiert wurde? Damals war es zu Ausschreitungen und Toten in der Ukraine gekommen und der Westen forderte die Regierung von Präsident Viktor Janukowitsch vehement auf, nicht gegen die eigene Bevölkerung vorzugehen.

Die Interims- oder Putsch-Regierung, die mittlerweile in der Ukraine an der Macht ist, hat am Sonntag einen „Anti-Terror“-Einsatz in der Ost-Ukraine gestartet. Dabei kam es zu Toten, deren Zahl nicht bekannt ist und offenkundig auch niemanden zu interessieren scheint. Anders als bei Janukowitsch hören wir von unseren sogenannten Repräsentanten wenig. Steinmeier, der nach seiner Initiative vom Februar von nicht wenigen als bundesdeutsche Friedenstaube angesehen und für sein Vorgehen mit Lob regelrecht überschüttet wurde, hielt sich mit Kritik am Vorgehen der Führung in Kiew auffällig zurück. Zwar sei die Lage in der Ost-Ukraine „hochgefährlich“, wie er am Sonntag im „Bericht aus Berlin“ in der ARD sagte. Ein kritisches Wort in Richtung des nicht gewählten ukrainischen Regierungschefs Jazenjuk vermisste man allerdings. Stattdessen erging sich der Außenminister weiter darin, Moskau die diplomatischen Leviten zu lesen. „Ein Wort der Distanzierung von dem, was in einigen ostukrainischen Städten der Fall ist, wäre jetzt gut“, sagte der Sozialdemokrat in Richtung Kreml. Er selbst distanziert sich allerdings nicht vom Vorgehen der ukrainischen Führung gegen die – obschon oft russischstämmige – eigene Bevölkerung oder forderte gar ein Ende des Gewalteinsatzes von der ukrainischen Führung.

Anhand der Situation in der Ost-Ukraine kann man viel von der Doppelmoral des Westens in diesem Konflikt erkennen: Während Janukowitsch nach den nach wie vor ungeklärten Schüssen von Scharfschützen auf dem Maidan-Platz in Kiew von der „Bild“ als „Massenmörder“ tituliert worden war und sich viele deutsche und europäische Politiker mindestens entsetzt über das Vorgehen der damaligen Regierung in Kiew zeigten, herrscht nun betretenes Schweigen. Die selben Politiker und Medienleute echauffieren sich nicht etwa darüber, dass die ukrainische Regierung nach ihrem „Anti-Terror“-Einsatz, der nicht weniger als eine blutige Niederschlagung von Protesten und mit demokratischen Grundsätzen unvereinbar ist, ihre ohnehin von Anfang an fragwürdige Unschuld verloren und Blut an ihren Händen kleben hat, sondern machen lieber weiter nach Schema F und zeigen mit dem Finger auf Moskau.

Mantraartig wird wiederholt, dass Moskau seine Finger im Spiel habe, die Proteste im Osten der Ukraine lenken würde und überhaupt an der ganzen Misere die Schuld trage. Dabei ist es völlig egal, ob dies nun der Wahrheit entspricht oder nicht, solange willfährige Medien diese Sicht der Dinge teilen und verbreiten und so den Europäern den Floh ins Ohr setzen, man stehe auf der richtigen Seite der Geschichte und gehöre zu den Guten.

Ich persönlich bin jedenfalls erschrocken darüber, wie unterschiedliche die Maße doch sein können, mit denen gemessen wird, je nach dem, wer gerade die Niederschlagung von Protesten anordnet. Die Clique um Janukowitsch war mit Sicherheit nicht dem Demokratischen zugewandt. Anhand des Verhaltens des Westens in der jetzigen Krise in der Ost-Ukraine lässt sich allerdings ablesen, dass es den westlichen Führungszirkeln offensichtlich gar nicht um Demokratie oder Menschenrechte oder anderen, von unseren Anführern anscheinend als profan angesehenen Dingen geht, obwohl sie dies stets behaupten und wie eine Monstranz vor sich hertragen.
Anderenfalls müsste der Westen das Vorgehen der Interims-Regierung im Mindesten mit derselben Schärfe verurteilen, wie er dies bei der vorherigen ukrainischen Regierung getan hat.

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