Über Pegida und die Gefahr für die vermeintlich Mächtigen

Was haben sich die Demonstranten nicht alles anhören dürfen: „Eine Schande für Deutschland“ seien sie, eine seltsame „Mischpoke“ oder gar „Nazis in Nadelstreifen“, mindestens aber (Neu-)Rechte, die der veröffentlichten Meinung zufolge nicht weniger als ein islam- und asylantenfreies Deutschland fordern. Und dennoch: Am Montagabend kamen in Dresden 15.000 Menschen zusammen, um unter dem Banner der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) von ihrer Versammlungsfreiheit Gebrauch zu machen. Ein Kommentar über eine Bewegung, die den vermeintlich Mächtigen Angst zu machen scheint.

Selbst Kanzlerin Angela Merkel (CDU), in den Augen von zu vielen Bundesbürgern eine hervorragende Regierungschefin, konnte es nicht verhindern: Trotz ihrer flammenden Warnung an die Teilnehmer der Pegida-Demonstration, sich nicht von Rechtsextremen instrumentalisieren zu lassen, folgten am Montag nach offiziellen Zahlen der Polizei, die gemeinhin eher konservative Schätzungen veröffentlicht, 15.000 Menschen dem Demo-Aufruf. Oder kamen sie gerade wegen der Warnung Merkels und anderer? Eines lässt sich jedenfalls feststellen: Die Taktik der Politik, die Pegida zu diffamieren und kräftig mit der Nazi-Keule zu schwingen, ist kolossal gescheitert. Sie hat offensichtlich dazu beigetragen, noch mehr Menschen zu mobilisieren und diese Menschen dazu angeregt, sich selbst ein Bild von den „Nazis in Nadelstreifen“ zu machen, wie NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) unter Rückgriff auf das Stilmittel der Alliteration formulierte. Von einer belächelten Demonstration mit einigen Hundert Teilnehmern im Oktober hat sich Pegida zu einer veritablen Bewegung gemausert, die die Schlagzeilen und Talkshows der Republik beherrscht.

Als Ursache dafür muss selbstredend die Umsichtigkeit der Demonstranten und der Organisatoren genannt werden. Viele nehmen schweigend an den „Spaziergängen“ teil, die jeden Montag in Dresden und anderen Städten stattfinden. Sie reden nicht mit der aus ihrer Sicht verlogenen Presse. Und wer kann es ihnen verdenken? In Zeiten, in denen in den großen Medienhäusern ganz gezielt manipuliert und gelogen wird, etwa um eine fragwürdige Regierung in der Ukraine zu installieren, ist es doch nur allzu verständlich, wenn die selbsternannten patriotischen Europäer vorsichtig bis klar ablehnend gegenüber Medien sind. Die selben Medien, die sich dieser Tage sicherlich sehr um ein Gespräch mit Lutz Bachmann, einer der Organisatoren der Demonstrationen, bemühen, werden nicht müde, ihn mit Ad-Hominem-„Argumenten“ zu diskreditieren. Dies verstärkt einerseits den Unwillen, mit der Medienmeute zu sprechen. Gleichzeitig wirkt es aber auch einigend auf die Pegida-Bewegung selbst: Wir gegen die, aufrechte und besorgte Bürger gegen die Lügen der Medien und der Politik, so der Tenor. Wenn die Demonstranten dann doch mal mit der Presse reden, wird sich wahlweise über sie lustig gemacht (so etwa in der „Heute Show“) und/oder sie werden ob ihrer Aussagen an den rechten Rand der Gesellschaft gestellt. All das kann man natürlich machen, nur ist man dann weit von der Bereitschaft zum Diskurs entfernt. Es mangelt seitens der Medien und auch der Politik an einem ernsthaften Interesse, sich mit den Menschen und ihren Sorgen auseinanderzusetzen.

Auch das Positionspapier der Pegida lässt nur wenig Kritik zu. Vorausgesetzt, man begibt sich nicht auf die zwanghafte Suche nach dem, was zwischen den Zeilen stehen soll, sondern nimmt das Geschriebene so wie es ist ernst. Erstaunlich ist, dass gerade die linksgrünen Blätter offenbar gegen die Forderung nach mehr Betreuern für die Asylbewerber sind. Auch sträuben sie sich offenkundig, deutsche Waffenlieferungen an fragwürdige Gestalten und Organisationen zu verbieten und finden Frauenfeindlichkeit dufte, solange der Frauenfeind die richtige Religion hat. Anders jedenfalls lassen sich so manche Stilblüten nicht erklären, die von der „taz“ bis zum „Spiegel“ den Weg in den öffentlichen Diskurs schafften. Die Positionen der Pegida jedenfalls sind aus Sicht des Grundgesetzes kaum zu beanstanden, bewegen sie sich doch in den Grenzen desselbigen. Unbenommen davon können die Positionen im demokratischen Widerstreit der Meinungen und Ansichten natürlich kritisiert werden. Hinter jeder ungenauen Aussage, jedem unglücklich formulierten Wort aber sofort rechtsradikales Gedankengut zu vermuten, ist ebenso falsch wie der Versuch, alle Demo-Teilnehmer in der rechten Ecke zu verorten, nur weil einige zwielichtige Gestalten an den Protestzügen teilnehmen. Es kämen schließlich auch nur sehr wenige auf die Idee, Teilnehmer an anderen Demonstrationen linksextremes Gedankengut vorzuwerfen, nur weil einige Leute von der Antifa auf dieser Demo waren.

Dass sich der Pegida-Protest derart starken Anfeindungen seitens der Presse ausgesetzt sieht, ist allerdings auch nicht wirklich erstaunlich. Spätestens seit den Mahnwachen, die im Zuge der Ukraine-Krise entstanden sind, weiß man um die Mechanismen, mit denen neue Bewegungen „kaltgestellt“ werden sollen. Auch von Politikern der alteingesessenen Parteien erwarten viele mittlerweile nichts anderes, als immer und immer wieder bestimmte Begriffe in den Kopf massiert zu bekommen. Was im Zuge der Sezession und dem anschließenden Anschluss der Krim an Russland die viel beschworene „Annexion“ war, ist heute der „hasserfüllte Nazi“, der marodierend durch Dresdner Straßen zieht und kurz davor steht Asylheime anzuzünden. Zwar gibt es einige Leute, die diese Scharade durchschauen. Allerdings ist eine nicht zu verachtende Masse von Menschen in Deutschland immer noch der Ansicht, dass Medien keinen wirtschaftlichen oder politischen Zwängen ausgesetzt seien und frei berichten könnten. Auch wenn sich da zum Glück einiges verändert hat, wenn man dieser Umfrage Glauben schenken will. Dass dabei auch das Vertrauen in die Politik leidet, versteht sich von selbst.

Es wäre grotesk, Pegida als etwas Singuläres anzusehen, als etwas, dass einfach so im luftleeren Raum entstanden ist, weil ein paar kahlgeschorene Krawallbrüder den sprichwörtlichen Kanal voll haben. Auch wenn sich die Demonstranten hinter der Forderung versammeln, eine Islamisierung Deutschlands verhindern zu wollen, ist dies wohl nicht der alleinige Grund für die Menschen, von ihrem grundgesetzlich verbürgten Recht auf Demonstrationen Gebrauch zu machen. Die Ursachen dafür liegen tiefer: Eine signifikante Zahl von Bürgern hat sich im Laufe der vergangenen Jahre, der gebrochenen Wahlversprechen sowie der allgegenwärtigen Lügen und Verdrehungen schlicht entfremdet von der Politik und von denjenigen, von denen sie dachten, sie würden sie allumfassend informieren. Diese Leute lesen und informieren sich lieber auf Seiten wie diesen hier, als zum zehnten Mal die immer nur leicht abgewandelte Meldung einer Nachrichtenagentur zu lesen, die sich im Nachhinein allzu oft als falsch herausgestellt hat. Das ist eine große Gefahr, allerdings weniger für Asylbewerber oder die Teilnehmer der Gegendemonstrationen, bei denen sich hartnäckig das Gerücht hält, sie würden sich teilweise für die Teilnahme an einer „Anti-Nazi-Demo“ bezahlen lassen. Es ist vielmehr eine Gefahr für jene, die glaubten, die mediale und politische Macht für lange Zeit gepachtet zu haben.

Eine Gefahr für genau die Personen, die den Bürgern wortreich wie faktenarm versuchten zu erklären, weshalb sich Deutschland hinsichtlich der Ukraine engagieren müsse, weshalb Pegida-Anhänger entweder dumm oder rechtsradikal oder beides seien und allerlei anderen Unsinn von sich gaben. Bei der Beobachtung der Reaktionen auf diese neue Bewegung beschleicht mich zunehmend das Gefühl, dass die Politiker unabhängig vom Parteibuch nicht recht wissen, wie sie mit der Resignation und der Gewissheit der Menschen, doch ohnehin nur belogen und nicht ernst genommen zu werden, umgehen sollen. Die alten Mechanismen greifen nicht mehr und neue wollen der Politik nicht wirklich einfallen. Dabei wäre eine Erkenntnis wohl ein erster und richtiger Schritt: Die Mächtigen und die Politik als solche sind von den Bürgern abhängig. Das mag ja für viele selbstverständlich klingen. Im Selbstverständnis von nicht wenigen Politikern jedoch ist dies aber offenbar nicht mehr fest verankert. Ansonsten würden sie statt dicke Backen zu machen und Schreckensbilder vom Mob in Bomberjacke und Springerstiefel zu zeichnen wohl eher auf die Pegida-Anhänger zugehen. Die Bevölkerung ist da – wie so oft – bereits ein Stück weiter: Immerhin jeder Zweite hat Verständnis für Pegida, heißt es. Ohne Verständnis für den Gegenüber, für seine Sorgen und Ängste, ist ein Gespräch schlechterdings nicht möglich. Natürlich können die Politik und die Medien weitermachen und sich in Publikums- beziehungsweise Wählerbeschimpfung üben. Dass dies allerdings nicht die richtige Herangehensweise sein kann, zeigt bereits das Versprechen der wachsenden Zahl der Pegida-Anhänger, das sie in den vergangenen Wochen immer wieder lauthals skandierten: „Wir kommen wieder!“ Es steht demnach wohl eher nicht zu vermuten, dass sich die Demonstranten von den teils skandalösen Beschreibungen der Politiker und Medien einschüchtern lassen, noch dass sie von alleine aufhören.

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