Türkische Zensur trifft auf fadenscheinige Verurteilung
Die Türkei ist nicht unbedingt das, was man unter einer Basisdemokratie versteht. Einiges dort wird eben auf die ganz eigene Art und Weise geregelt. Das in der Nacht verabschiedete Gesetz zur Internet-Kontrolle ist auch ein gewaltiger Einschnitt – weg von der Demokratie, aber wie weit sind wir in Europa denn davon entfernt? Nur weil wir es anders nennen, heißt es nicht es würde demokratischer ablaufen.
Die Verschärfung der Kontrolle des Internets in der Türkei ist schon erheblich. Waren früher richterliche Beschlüsse notwendig um Webseiten abschalten zu lassen, ist dieses nun auch ohne möglich. Die Nutzungsdaten werden ab jetzt bis zu zwei Jahre lang gespeichert, alles nur um die Familien und Kinder zu schützen versteht sich. Wo liegt denn hier der Unterschied zu Europa oder gar den USA?
Überall kann man lesen, wie empört das In- und Ausland auf diesen Vorstoß reagiert. Nimmt man beispielsweise die NSA zum vergleich, die Türkei mutet an wie ein Kloster. Natürlich ist der Vorstoß in der Türkei genauso schlimm wie in weiten Teilen der restlichen Welt, sich aber nun aufzuspielen und das zu verurteilen, wirkt schon ein wenig albern. Wenn müsste man doch konsequenterweise zunächst die Vorratsdatenspeicherung in Europa abschaffen und hier entsprechende „Webfilter“ aus den Verordnungen schmeißen. Nein in Europa ist das alles ja nur zum Besten von Familien und Kindern. Fühlt sich an wie ein Deja vu, nicht wahr?
Die Türkei steht vor bedeutenden innerpolitischen Problemen, das ist hinlänglich bekannt. Besonders die Opposition macht sich die Kontraktion der Wirtschaft zu Nutze und Erdogan hat allerhand damit zu tun sein Schiff auf Kurs zu halten. Auch in diesem Fall dürfte der Westen an einigen Stellen seine Finger im Spiel haben und dort sind besonders Twitter, Facebook und Youtube willkommene Werkzeuge. Das weiß auch der türkische Premier nur zu gut. Aus dieser Sicht ist der Vorstoß natürlich gut nachvollziehbar.
Sehr schnell kann sich die Justiz und das Militär gegen die Regierung wenden nicht ohne Grund hat es in diesen Bereichen bereits ein gewaltiges Stühlerücken gegeben. Fast die gesamte Militärführung wurde ausgetauscht und auch im Polizeiwesen hat sich das Wechselkarussell gewaltig gedreht. Mit diesem Gesetz hat Erdogan sich die Möglichkeit gesichert, im Zweifelsfall schnell und „unbürokratisch“ möglichen Gegenwind abschalten zu lassen. Dissidenten entsprechend zu identifizieren und zu „entschärfen“ ist dann auch wesentlich einfacher geworden. Demokratie ist das nicht, aber Europa oder die USA sind auch nicht viel besser.
Carpe diem
2 Responses to Türkische Zensur trifft auf fadenscheinige Verurteilung
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.
Silent Control ist Wirklichkeit
Die westlichen Demokratien sollten endlich damit aufhören von anderen Ländern Meinungs- und Zensurfreiheit im Internet zu verlangen, wenn sie zur selben Zeit zahlreiche Maßnahmen zur Regulierung des Internets und der Überwachung des öffentlichen Raumes verabschieden.
Joe MCNamee, der Vorsitzende der executive of civil rights organisation (EDRI) sagte dem britischen “Telegraph” zu den Plänen der westlichen Demokratien. „Unterdrückerische Regierungen lachen sich kaputt, wenn die EU das nächste Mal Vorträge über Meinungsfreiheit im Internet hält“.
[…] ***Türkische Zensur trifft auf fadenscheinige Verurteilung*** […]