Latakia – Heizkessel im Nahost-Konflikt

Die Konflikte in Syrien bzw. in Iran entschärfen sich. Nach jahrzehntelanger Funkstille telefonieren die Präsidenten Irans und der USA wieder miteinander, was einen diplomatischen Erfolg historischen Ausmaßes darstellt. Und die Zerstörung der syrischen Chemiewaffen-Anlagen unter UN-Aufsicht verlaufen erfolgreich. Soweit der allgemeine Tenor in den Mainstream-Medien. Es gab jedoch eine Reihe fragwürdiger Zwischenfälle in der Region, die eher für eine fortschreitende Verschärfung des Konflikts sprechen, wobei die Thematik an sich weitgehend durch die NSA-Affäre in den Hintergrund rückt. So zum Beispiel der Bericht der CNN, dass die israelische Luftwaffe für den Angriff auf die Militäranlage im syrischen Latakia am Mittwoch verantwortlich sei.

In Tartus, der zweitgrößten Küstenstadt Syriens nach Latakia, unterhält Russland schon seit Sowjet-Zeiten einen strategisch sehr bedeutenden Marinestützpunkt, der ihnen einen Zugang zum Mittelmeer bietet. Auch im unweit entfernten Latakia sind russische Kriegsschiffe präsent, und der Hafen kann von ihnen frei genutzt werden. Über die geschichtsträchtige Stadt Latakia liefert Russland Gebrauchsgüter und wohl auch Waffen, deren Zerstörung der Luftschlag diese Woche vermutlich galt. Dabei wurden Raketen russischer Bauart vernichtet, die nach den Berichten teils auch an die libanesische Schiiten-Miliz Hisbollah geliefert werden sollten. Um das zu verhindern, soll Israel den Luftschlag unternommen haben. Laut einem saudischen Nachrichtensender wurden am selben Tag auch Ziele in Damaskus angegriffen. Das israelische Verteidigungsministerium hat zu den Annahmen, dass sie für die Operationen verantwortlich seien, keinen Kommentar abgegeben; jedoch hat sie das Weiße Haus bestätigt.

Bereits im Juli wurden Raketenlager in Latakia bombardiert, und CNN auch damals Israel dafür verantwortlich gemacht. Laut der New York Times sind die Angriffe damals fehlgeschlagen, was die jüngsten bzw. erneuten Attacken erklären würde.

OguzIm Juni letzten Jahres war Latakia, das 50 km von der türkischen Grenze entfernt liegt, in die Schlagzeilen geraten, als vor der Küste ein türkisches Aufklärungsflugzeug abgeschossen wurde. Es war die These im Gespräch, dass es eine Machtdemonstration gewesen sein könnte. Sie wollten damit eventuell beweisen, dass sie über moderne Waffensysteme verfügen, um es mit der türkischen Luftwaffe aufnehmen zu können. Eine weitere These besagt, dass es sogar die Russen gewesen sein könnten. Abgeordnete der Demokratischen Linkspartei (DSP) in der Türkei behaupteten, dass in Wirklichkeit das Aufklärungsflugzeug von einem russischen Kriegsschiff abgeschossen worden sei.

Auch im aktuellen Fall sind derartige Gerüchte zu vernehmen. Am vergangenen Samstag, als der türkische Außenminister Davutoglu seinen iranischen Amtskollegen in Ankara empfang, wehrte er sich vehement gegen die Berichte, sie hätten Israel im Vorfeld mit Geheimdienstinformationen versorgt, die für die Bombardierungen genutzt worden seien. Könnte das eine Vergeltungsmaßnahme für den Abschuss des türkischen Jets gewesen sein? Verdeckte Einsätze und Machtkämpfe hinter den Kulissen sowie gezielte Verbreitung von Desinformationen in den Medien sind jedenfalls durchaus ein Bestandteil des geostrategischen Gebarens.

Die nordwest-syrische Stadt stellt eine Art Festung für den Assad-Clan dar, deren Bevölkerung zu einem großen Teil aus regimetreuen Alawiten besteht. Als die Rebellen Mitte letzten Jahres Verwandte von Assad, die führende Positionen im Militär und bei den Geheimdiensten einnahmen, bei Anschlägen töteten, wurde berichtet, dass der Präsident nach Latakia geflohen sei. Doch mittlerweile scheint die Stadt nicht mehr die ehemals sichere Bastion zu sein. Erst kürzlich berichtete die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch von einem Massaker an 190 Alawiten.

Vor dem fast 200 km langen Küstenstreifen befinden sich zahlreiche Kriegs- und Aufklärungsschiffe, wie etwa amerikanische und französische. Die USA haben zwar angekündigt, in einige Schiffe aus dem Mittelmeer abzuziehen, doch wird noch eine feste Besatzung dort bleiben. Admiral Greenert von der US-Navy betonte, dass sie bereit zum Angriff seien. Mittlerweile erhöhen Russland und China ihre Präsenz vor Ort. Über Israel berichtete im März schon die Sunday Times, dass sie eine Flottille einsetzten, um die russische Flotte auszuspionieren. Diese Nachrichten sprechen für eine weitgehende Spionageaktivität und Machtdemonstrationen, die zwischen den beteiligten Parteien vor der Küste stattfindet.

Die Stadt Latakia ist ein strategisch bedeutender Ort, der quasi die traditionell und strategisch bedeutenden Beziehungen zwischen dem Assad-Regime und Russland sowie die interessensverflochtene Lage der Region reflektiert.

Bildquelle: Wikipedia


10 Responses to Latakia – Heizkessel im Nahost-Konflikt

  1. Habnix sagt:

    Man kann auch ankündigen einige Kriegsschiffe abzuziehen während man gleichzeitg die Ablösung schon längst los geschickt hat.

  2. westfox sagt:

    Was will denn der Autor – aus der Ferne – damit sagen? Was ist der Inhalt?

  3. O. Calli sagt:

    Gerne erläutere ich die Kernaussage. Die beschriebenen Vorfälle rund um Latakia zeigen auf, welche verschiedenen Interessen aufeinander treffen und welche gefährlichen geopolitischen Entwicklungen vor Ort herrschen, die in den Mainstream-Medien nicht oder nur sehr rudimentär behandelt werden. Es ging um die detaillierte Untermauerung dessen mit Hintergrundfakten.

    Was mich interessieren würde: Was will denn der Kommentator mit „Autor – aus der Ferne -“ genau sagen??

  4. westfox sagt:

    Ich bin alle 4 Wochen in Syrien. Und Sie?

  5. strom23 sagt:

    westfox vielleicht kannst du mir erläutern warum die Israelischen Luftangriffe auf Syrischen Boden so unbeantwortet bleiben? Ich wundere mich schon sehr das weder aus Damaskus noch aus Moskau keine dramatische Verurteilung kommt. Was einem Schuldeingeständniss gleich kommt. Der plötzliche Abgesang des Krieges im September ist für mich immernoch nicht schlüssig und ich kann nach wievor keine super Finte Lawrows entdecken auch wenn das in allen Blätttern so dargestellt wurde. Was läuft da eigentlich?

  6. O. Calli sagt:

    Ich persönlich war seit einigen Jahren nicht mehr da. Ich unterhalte jedoch (u.a.) enge Kontakte zu Journalisten-Netzwerken, mit denen ich mich regelmäßig und intensiv austausche.

  7. Foerster003 sagt:

    Thierry Meyssan schreibt heute auf Voltairenet:

    „“Vor unseren Augen”

    Syrien hat sich geändert

    Die Medienberichterstattung über den Krieg in Syrien beschäftigt sich nur mit diplomatischen, militärischen und humanitären Aktionen. Sie lässt die tief greifende Umgestaltung des Landes beiseite. Jedoch überlebt man diesem Ozean von Gewalt nicht ohne sich tief zu ändern. Thierry Meyssan beschreibt diese Entwicklung aus Damaskus, wo er zwei Jahre lang lebte.

    Auf seiner Durchreise in Damaskus hat der Sondergesandte der Generalsekretäre der Arabischen Liga und der UNO, Lakhdar Brahimi, „sein“ Projekt der Friedenskonferenz Genf 2 vorgestellt. Eine Konferenz, deren Ziel wäre, dem „Bürgerkrieg“ ein Ende zu setzen. Dieser Begriff greift wieder die Analyse von einem Lager gegen das andere auf, von jenen, die behaupten, dass dieser Konflikt eine logische Erweiterung des „arabischen Frühlings“ sei, gegen jene, die behaupten, dass es fabriziert, geschürt und von außen manipuliert wurde.

    Der Krieg laut der bewaffneten Opposition

    Für den Westen und den Großteil der Nationalen Koalition macht Syrien eine Revolution durch. Sein Volk hat sich gegen eine Diktatur erhoben und wünscht nichts sehnlicher, als in einer Demokratie wie in den Vereinigten Staaten zu leben. Allerdings wird diese Sicht der Dinge durch den Golf-Kooperation Rat [GCC], den syrischen Nationalrat und die Freie Syrische Armee [FSA] widerlegt. Für sie ist das Problem nicht die Freiheit, sondern die Persönlichkeit von Baschar Al-Assad. Sie würden sich mit denselben Institutionen begnügen, wenn der Präsident akzeptierte, seinen Platz einem der Vizepräsidenten der Kommission abzutreten. Diese Version wird jedoch ihrerseits von den Kriegern auf dem Boden zurückgewiesen, für die das Problem nicht die Persönlichkeit des Präsidenten ist, sondern die Toleranz, die er verkörpert. Ihr Ziel ist, ein Regime wahhabitischer Natur herzustellen, in dem religiöse Minderheiten unterworfen oder zerstört würden und in dem die Verfassung durch die Scharia ersetzt würde.

    […]

    Falls die Genf 2-Konferenz stattfindet, werden die Großmächte nichts entscheiden können. Die kommende Regierung wird nicht das Ergebnis einer diplomatischen Vereinbarung sein. Die einzige Möglichkeit der Konferenz wird sein, eine Lösung vorzuschlagen, die nur angewendet werden kann, wenn sie zuerst per Volksabstimmung ratifiziert worden ist.

    Dieser Krieg hat Syrien ausgeblutet, dessen Hälfte der Städte und Infrastrukturen zerstört wurden, um den Appetit und die Fantasien der westlichen Mächte und der Golfstaaten zu stillen. Wenn etwas Positives aus Genf 2 entstehen sollte, wäre es die Finanzierung des Wiederaufbaus durch diejenigen, die das Land ins Unheil gestürzt haben.“

    http://www.voltairenet.org/article180815.html

  8. Polygon sagt:

    Vorallem… Wie kommen die an der Flugabwehr vorbei?

  9. Optimus sagt:

    Die Syrische Armee hat Probleme mit einer schlecht bewaffneten Rebellenarmee fertig zu werden. Wie soll sie moderne Kampfflugzeuge runterholen? Die Flugabwehr kannste vergessen.

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