Reuters: Wenn sich die Wirtschaft aus Hoffnung speist
Wer sich mit der Realität beschäftigt, dürfte im Augenblick die stark wachsende Anzahl der Softfacts bemerken. Die Märkte werden nicht mehr von harten Basisfakten beeinflusst, sondern von Hoffnung, Zuversicht und blindem Optimismus. Natürlich haben auch früher Meinungen einen gewissen Einfluss auf die Kurse gehabt, was sich aber im Augenblick abspielt, hat mit der Realität nicht mehr viel gemein. Unternehmen wie zuletzt beispielsweise Rio Tinto bringen eher beunruhigende Daten und mahnen zur Vorsicht, die Konjunkturpropheten hingegen sprühen nur so vor Optimismus.
Die wichtigsten Faktoren für Unternehmen und die Konjunktur sind harte Fakten. Natürlich wird das unterstützt von Prognosen, Hochrechnungen und weiteren Modellen zur Entwicklung. Viele Fundamentaldaten sind mit katastrophal noch sehr wohlwollend umschrieben, die Märkte sind davon allerdings relativ unbeeindruckt. Manche Unternehmensbilanz schmilzt im Augenblick dahin, wie eine Kugel erstklassiges Vanilleeis in der Wüstensonne.
In den Nationen der Welt eskalieren die Staatsschulden, die Konjunktur droht in einem nuklearem Winter zu erfrieren, Unternehmen kämpfen um das Überleben. Natürlich gilt das nicht für alle, aber doch für viele. Japan legte gestern ein weiteres 13,2 Milliarden schweres Konjunkturpaket auf, um den Absturz ein wenig abzubremsen, ändern wird das nicht viel. In den USA gibt seit der Wahl Rod Steward wieder den Ton an, man versucht weiterhin erfolglos das „Fiscal Cliff“ zu umsegeln und China kämpft mit seinen strukturellen Problemen, was sich auf dem Weltmarkt sehr deutlich widerspiegelt.
Es gibt ein Zitat, welches besser nicht passen könnte: „Hoffnung ist der Ratgeber der Dummen.“ Damit soll nicht gesagt werden, dass man die Hoffnung aufgeben sollte, aber es sollte nicht alles sein, worauf sich die Zukunft stützt.
Hier ein exemplarischer Screenshot aus der Markt-Abteilung bei Reuters:
Die Propheten werden meist schnell von der Realität überholt, diese sind allerdings dann schon wieder bei den nächsten Vorhersagen. Seit dem alle Regeln der Ökonomie und Vernunft gebrochen wurden, ist ein profitables Traden an den Märkten eigentlich kaum noch möglich. Die Welt der Finanzen wird gesteuert durch High-Frequency-Trading und übermächtige Teilnehmer. Erst gestern wurde die Stockholmer Börse durch einen angeblichen Fehltrade mit Index-Derivaten in Höhe von 70 Billionen Dollar pulverisiert und der Handel für Stunden ausgesetzt. Ein perverses Geschäft im Takt von Pikosekunden.
Schwitzende, euphorische oder panische Händler, die Papierzettel in die Luft halten und sich die Lunge aus dem Leib brüllen, werden Sie an den Börsen Weltweit vergeblich suchen. Anleger, die bei einem guten Glas Wein und einer ordentlichen Zigarre in aller Seelenruhe ihre Wertpapierorders überdenken, sind doch eher in der Minderheit.
Fazit: Wenn sich alles aus Zuversicht, Optimismus und Hoffnung speist, ist es mit der Wirtschaft nicht mehr weit her. Einige Ökonomen warnen bereits vor 2013 und prognostizieren für Deutschland eine Rezession, wobei das ohne entsprechende Konjunkturpakete auf Jahressicht auch noch als Optimismus gesehen werden dürfte. Sie sollten sich auf den eigenen Verstand verlassen und nicht den Kirmes-Analysten vertrauen, welche gebetsmühlenartig die Nachrichten mit falschen Hoffnungen überfluten.
Carpe diem
12 Responses to Reuters: Wenn sich die Wirtschaft aus Hoffnung speist
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Der Traum des Glammours auf Pump unterm deutschen Weihnachtsbaum:
Dauerhaft steigende weltweite Nahrungsmittelpreise:
http://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/wirtschaft_nt/article111697444/Weltbank-warnt-vor-dauerhaft-hohen-Nahrungsmittelpreisen.html
Mietpreisexplosionen dank Nebenkosten in Deutschland:
http://www.welt.de/fernsehen/article111691683/Was-tut-der-Staat-gegen-die-Mietpreisexplosion.html
Einzelhandel mit stärkstem Einbruch seit 2009 (Bankenkrise erreichte zeitversetzt die Verbraucher):
http://www.welt.de/wirtschaft/article111692846/Handel-mit-staerkstem-Einbruch-seit-fast-vier-Jahren.html
Moin,
der Screenshot ist echt putzig.
@Jens, da du dich ja, soweit ich hier bei den ökonomischen Beiträgen festgestellt habe, gut in der Materie auskennst, hier meine Frage: Hast du da ein Buch was du empfehlen kannst zu Finanzthemen?
Gruß
San
Da müsstest du etwas detaillierter werden. Worüber soll das Buch denn informieren?
sagen wir mal so, da ich BWL studiere, aber da nix lerne 😉 , suche ich nach mehr Wissen, naja fangen wir doch mal an mit dem Geld- und Bankensystem. Hoffe konnte konkreter werden.
Investmentbanking, speziell auf internationaler Basis, wäre auch interessant.
da gibts auch durchaus Videos in YT, möchte aber etwas fundamentaleres und mehr ausführlicheres.
Hallo!
Ein Tipp meinerseits.
Versuch es doch mal mit:
„Der größte Raubzug der Geschichte“.
Oder auch gut:
„Wirtschaftliche Selbstverteidigung“.
Also vieles aus den beiden Büchern war jetzt nicht so neu für mich, aber dennoch sehr informativ!
Es gibt mit Sicherheit aber noch viel mehr. Speziell zu Investmentbanking würde ich mich aber auch über Hinweise freuen.
Ich hoffe, dass ich jetzt keine unerlaubte Werbung gemacht habe. Und kannst Du ja mal gucken, ob Du die Bücher nicht gebraucht bekommst. Ich habe damit bislang nur gute Erfahrung gemacht. Bei den Buchpreisen langen die mittlerweile auch schon ganz derbe zu…
Gruß,
Stroke
„“Der größte Raubzug der Geschichte”.“
Dass sagt mir was, ist auch auf meiner Liste für „Bücher die ich lesen muss“ 😀
Naja, eig. ging das in Bezug auf die Bücher die evtl Jens gelesen hat, da ich mal davon ausgegangen war, dass Jens sich literarisch in dem Bereich weitergebildet hat. Aber an seiner Antwort hab ich herausgelesen, dass er anscheinend viele dazu kennt, und das eingränzen wollte. Generell das ganze ökonomische Spektrum.
Naja wenn die halbwegs gut sind, dann reicht mir ein Leihen, mal sehen. Aber sehr gute Bücher, die ich Schätze der Literatur mal nenne, würd ich mir sowieso kaufen, manches lässt sich halt nicht mit Geld aufwiegen ;), ausser man hat es grad nicht so locker, ist natürlich ein anderer Aspekt.
Danke schonmal, hoffe Jens „speisst“ mich noch mit etwas 😀
Gruß
San
Ein sehr gutes Buch zum Verständnis der Krise und den Problemen in China ist zum Beispiel Crashkurs von Dirk Müller (Softcover neu 10 Euronen). Es gibt unzählige gute Bücher und überall steckt etwas drin, je mehr man gelesen hat umso besser kann man sich ein eigenes und umfassendes Bild machen. Sowohl die Inflationisten als auch die Deflationisten, beide Seiten sollte man kennen, etc…. Ich werde mal demnächst eine Liste mit meinen Lieblingen anfertigen.
“Der größte Raubzug der Geschichte” habe ich noch als Rezensionsexemplar liegen, habe aber sehr viel gutes gehört darüber, auch noch ein Must Read auf meinem Stapel.
Hi Jens,
wie wäre es mit einer Bücherliste?
Am Besten wäre es sogar, wenn jedes Buch einzelnd diskutiert werden kann.
Besten Gruß
ich würde auch helfen, Bücher raussuchen und mit Klappentext versehen.
Wenn du Zeit finden würdest und „boxes“ auf deiner Seite schaffst, könnte man sich viel Zeit sparen und Werke der Halbwahrheiten aus dem Spiel nehmen.
Besten Dank für deine Arbeit, bleib so frei wie du bist.
“Der größte Raubzug der Geschichte”
Bereits das Interview mit den beiden Buchautoren ist sehr aufschlussreich !!!
http://www.daf.fm/video/bestseller-autoren-wir-stehen-vor-dem-monetaeren-crash-50158724.html
(Dauer 12 Minuten)
@ Jens
Danke vorab. Zu deiner Liste, die du veröffentlichen möchtest, hätte ich einen Vorschlag zu machen. Vlt. so wie das Offtopic, aber nur für Bücher, wo die Leute Titel, Autor,etc.. nennen und eine kurze Beschreibung dazu abgeben, möglichst ohne Disskusionen, vlt marginale Hinweise, falls mal jemand einen kompletten Mist einstellen will.
Gurß