„Warum lieben Sie mich nicht?“ – ein Anruf vom „Valentins-Banker“

Am Rosenmontag war ich gerade damit beschäftigt mein Narrenkostüm anzulegen (dieses Jahr verkleidete ich mich stilecht als Ben Bernanke samt Helikopterhelm, Zauselbart, schlecht sitzendem Anzug und Taschen voller wertloser Papierschnipsel) als plötzlich das Telefon klingelte. In bester Cold-Call-Manier meldete sich am Ende der Leitung ein „vertriebsorientierter Bankkaufmann“ früher auch bekannt als mein „Bankberater“.


Ich möchte vorausschicken, dass ich diesen Herrn nicht persönlich kenne und mich nur schwerlich überhaupt an seinen Namen erinnern konnte. Zwar hatten wir zum Ausbruch der Finanzkrise einmal kurz das Vergnügen, als ich seinerzeit damit beschäftigt war, meine Bankverbindungen neu zu ordnen und ich für einen annähernd totalen Mittelabfluss bei seinem Institut sorgte. Doch das ist viele Karnevalssaisonen her. Seit dieser Zeit unterhalte ich bei seinem Institut lediglich noch ein Sparbuch, dass meine zwischenzeitlich leider höchstbetagt verblichene Großmutter noch zu meinen Kindertagen (das ist viel mehr Karnevalssaisonen her) eingerichtet hatte. Alle anderen liquiden Mittel wurden, entgegen dem Ansinnen meines Bernankeschen Narrenoutfits, zwischenzeitlich in nicht durch Helikopterabwürfe verwässerbaren Assets angelegt.

Die „vertriebsorientierte Ausbildung“ verleitete den mir quasi unbekannten „Berater“ am Telefon offenbar dazu, davon auszugehen ich hätte unendlich Zeit für ihn und schon Tage, Wochen, Monate auf seinen Anruf gewartet. Dementsprechend setzte er dazu an, mir langatmig zu erläutern, dass es „Zeit wäre, sich besser kennen zu lernen“ und es „im Zuge dieses Gesprächs sicherlich die Möglichkeit gäbe über erneute Anlagen meinerseits nachzudenken“ schließlich „bietet die aktuelle Lage des Finanzmarktes ja exzellente Chancen und Möglichkeiten an der positiven Entwicklung teilzuhaben“. Diese Aussage ließ mich vermuten, dass er auch als „Büttenredner“ geeignet wäre.

Derart um mein „finanzielles Wohl“ besorgt, setzte der Mitarbeiter des deutschen Instituts an, mich in ein tieferes Gespräch zu verwickeln, als ich ihm kurzer Hand das Wort abschnitt und seine „Leistung aus Leidenschaft“ jäh unterbrach.

Zum einen musste an dieser Stelle zuerst einmal gesagt werden, dass ich diesem, seinem Institut bereits schriftlich untersagt hatte, ungebeten Kontakt mit mir aufzunehmen. Zum anderen verspürte ich weder Lust, noch Drang oder genügend Dummheit um liquide Mittel bei einem deutschen, europäischen oder sonstigen Bankhaus anzulegen und drittens war ich soeben auf dem Weg um in Kürze als „Chef der amerikanischen Notenbank die Straßen unsicher zu machen“.

Von meinen Einlassungen offenbar irritiert hielt der Verkäufer kurz inne, schien vergebens sein vorgegebenes Kommunikationsschema nach „Kunde gibt an, Präsident der amerikanischen
Notenbank zu sein“ zu überprüfen, um anschließend seinen „Beratungsmonolog“ unbeirrt fortzusetzen.

An dieser Stelle schien es mir mehr als opportun nun eine entschiedenere und nachdrücklichere Kommunikationsform zu wählen um das Gespräch abzukürzen und meinen Standpunkt unmissverständlich zu übermitteln. Ich erhob folglich meine Stimme und erläuterte, dass hier wohl ein Missverständnis vorliegen würde, denn offenbar ging sowohl die Bank als auch deren Mitarbeiter in der irrigen Annahme ich hätte Anlagebedarf, was sich a) hiermit als falsch herausstellt und b) ich niemals, wirklich niemals wieder Mittel bei seinem oder irgendeinem Institut anlegen würde was u.a. folgende Gründe hat:

– Mindestreserve System der Geschäftsbanken im weltweiten Währungssystem
– Giralgeldschöpfung durch einfache Bilanzverlängerung und einhergehender enormer Ausweitung der Geldmenge durch die Finanzindustrie
– Mehrfaches Austrocknen des Interbankenmarkts – warum ich soll ich Banken trauen, die sich offenbar selbst nicht trauen?
– Totale Liquiditätsschwäche des gesamten europäischen Bankensektors, der ohne direkte und indirekte Einflussnahme durch Staaten, Notenbanken, Stützungs- und Stabilisierungseinrichtungen wie ESM, EFSF sowie sonstige Graumärkte (siehe ST€P) nicht überlebensfähig wäre
– Wiederaufnahme der Spekulation mit Lebensmitteln
– Verwicklungen des Instituts in den LIBOR Skandal
– Exzessive Bonuszahlungen so z.B. 80 Million Euro für einen einzelnen Mitarbeiter im Jahr 2009, als das Institut meines „Beraters“ offenbar gleichzeitig seine eigene Schieflage vor staatlichen Stellen geheim hielt um nicht dem Imageschaden eines staatlichen Bailouts akzeptieren zu müssen
– Exzessives Zinsdelta bei Privatkunden im Bereich der Dispozinsen zwischen 15-18% während die Refinanzierungskosten der Banken bei 0-1% liegen
– Preistreibereien, Beeinflussung und Manipulation der Aktien-, Bond-, Währungs- und Rohstoffmärkte auch und gerade durch den Hochfrequenzhandel
– Übervorteilung von Anlegern durch Gebühren, Ausgabeaufschläge, Agios, Kickbacks, Provisionen und sonstige bankübliche Einnahmen
– Einflussnahme der Banken auf Entscheidungen der Politik zum ausschließlich eigenen Vorteil und stetigen Nachteil für die Steuerzahler und eigenen Anleger
– Weitgehende Pfandrechte der Banken an jeglichen Guthaben der eigenen Kunden auch nach Änderung der bankenüblichen Geschäftsbedingungen zum 31.10.2009
– Enormes Klumpenrisiko in Papierwährungen
– Zwischenzeitlich klar sichtbarer finanzieller Repression mit niedrigem Zinsniveau, steigender Inflation und faktisch existierenden Kapitalverkehrskontrollen
– „Vertriebsorientiere Beratung“ die nichts anderes ist und bleibt als ein reines Verkaufen von größtenteils intransparenten Produkten die nur einem wirklich Vorteile liefern – der Bank
– Kontaktaufnahme entgegen der Untersagung durch den Kunden
– Etc.

Ob der Flut von Argumenten, kehrte plötzlich Ruhe in der Telefonverbindung zwischen dem Glasturm der Bank und meinem Wohnzimmer ein. Mehrere Sekunden lang verharrten beide – ich, der als „Helikopter-Ben“ verkleidete Kunde und der wohl ebenfalls als „Banker“ verkleidete
Vertriebsdarsteller – still in der Leitung. Bis plötzlich folgender, für mich überraschender Satz des Bankers fiel:

„Darf ich daraus schließen, dass es an meiner Person liegt? Gehe ich richtig in der Annahme Sie mögen mich nicht?“

Wie bitte? Ich hatte soeben mittels einer Vielzahl valider Argumente erklärt, warum ich von jeglicher Anlage bei einer, seiner Bank absehen werde. Statt diese Aussage zu akzeptieren, eine negative Aktennotiz zu machen, das Gespräch zu beenden und einige Minuten später das Glück bei einem anderen Opfer zu versuchen, nun das?

Der Grund meines Anlageunwillens liegt also daran, dass ich nicht in meinen Banker verliebt bin?

Sie glauben ja nicht wie erleichtert ich war, als ich das endlich begriffen hatte. Es stimmt, eigentlich fehlt mir nur die Liebe für Banker in Not. Wie traurig sind sie doch diese niedlichen, possierlichen Bankmitarbeiter in ihren viel zu kleinen Büros und zu großen Anzügen. Täglich müssen sie ihr Dasein darin fristen Milliarden und Billionen zu gewinnen oder zu verlieren und ihren Kunden durch gezielte „Beratung“ das Vermögen abzunehmen. Grausam!

Es ist daher an der Zeit zu erkennen, dass gerade diese armen Kerlchen viel Liebe brauchen. Liebe von Kunden die ihnen zur Linderung des Schmerzes die letzten hart verdienten Kröten in den nimmersatten, zinseszinsgetriebenen Rachen werfen.

Als mir das bewusst wurde, kullerten mir große Tränen übers geschminkte Narrengesicht. Dies führte leider dazu, dass mein Bernanke-Makeup völlig verschmierte und ich auf der anschließenden Karnevalsparty wohl einen eher traurigen Helikopter-Ben abgab und stattdessen immer wieder mit Paul Krugman verwechselt wurde. Auch das – grausam!

Doch all der Schmerz hatte einen Sinn, in den nächsten Tagen werde ich umgehend wieder einige der Papierschnipsel aus dem Karnevalskostüm bei meinem Banker anlegen – alles nur als Liebe!

Ich wünsche allen Lesern einen schönen Valentinstag und Jens Blecker gute Besserung!

The German Perspective


13 Responses to „Warum lieben Sie mich nicht?“ – ein Anruf vom „Valentins-Banker“

  1. Babs sagt:

    Sie wollen alle nur das Beste des Kunden (nein nicht FÜR sondern des) nämlich sein Geld!!!!

  2. fyrtarn sagt:

    Geiler Bericht,hab herzlich gelacht.

    Leider eiskalte Realität,eigendlich zum heulen.

    Verdammte Bankster!!!

  3. Steppolante sagt:

    Danke für dieses Schmankerl an diesem vollkommen nicht außergewöhnlichen Tag… ach neee, etwas war doch besonders…die Rosen(nein, ich habe nichts derartiges gekauft^^) haben heute bis zu 4 mal mehr gekostet als sonst ;).
    Ach ja, eigentlich sollten wir heute den Tag des Skilifts feiern. Vor 105 Jahren wurde der erste installiert 😉

    Steppo

  4. Berg sagt:

    es ist immer leicht auf eine gruppe, die sich zu recht ihren ruf verspielt ..verzeihung verspekuliert..hat rum zu hacken. jahrelang habe ich meinen bankmitarbeitern befohlen kundenorientiere bedarfsberatung zu machen, den vorständen habe ich ständig in den ohren gelegen und wert auf analyse im verkaufsgespräch gepredigt, im endeffekt habe ich immer verloren. es waren die dollars von der union invest, die die vorstände in den augen hatten und ihren eigenen vorteil. das wohl der kunden war ihnen immer egal..je länger ich dabei war, desto mehr wusste ich eines tages..das ist nicht mein weg, auch wenn es kein leicher war gegen dummheit und gier ist kein kraut gewachsen. schimpft nicht auf die armen schweine, die sich jeden tag die niedrigkeiten der welt am telefon anhören müssen, sie machen nur ihren job um frau und kind durchzubringen..schimpft auf die vorstände, die aufsichtsräte und die geldgeilen säcke im investment mit unmoralischen handelsgütern.

    und sucht euch eine kleine örtliche volksbank, die noch ohne fusion den raiffeisengedanken hochhält und das geld ihrer kunden nicht verhöckert und verschrammelt. denkt an das kollektiv ihr ehemaligen kollegen..ich sage euch voraus..wer den kunden nicht ehrt ist seines talers nicht wert.

    gez. ein banker im ruhestand

  5. Gedoense sagt:

    Ich hab mir einen beim Lesen abgelacht. Schön geschrieben, danke.

    Dass er Dich gefragt hat, ob du ihn nicht magst, ist natürlich auch nur eine Masche; schlechtes Gewissen machen und so weiter.

  6. fyrtarn sagt:

    @Berg

    Zitat;….schimpft nicht auf die armen schweine, die sich jeden Tag die Niedrigkeiten der Welt am Telefon anhören müssen, sie machen nur ihren Job um Frau und Kind durchzubringen..

    Aus dieser Mühle auszubrechen ist mit Sicherheit nicht einfach.
    Ich habe 11 Jahre in einem Privaten Unternehmen für den Staat
    gearbeitet,fürs Jugendamt.Irgendwann konnte ich mein Spiegelbild
    nicht mehr ertragen.Die Missstände die auf dem Rücken von Kindern und Jugendlichen ausgetragen wurden,raubten mir den
    Frieden,die Selbstachtung,den Schlaf.Und ich als Mittäter
    mittendrin.Ich hab genauso wie sie Missstände beim Namen genannt.Gebracht hat es nichts.Vor nem Jahr hab ich gekündigt.

    Und doch suchen wir uns unsere Jobs selber aus.JaJa ich weiß,die Soldaten in sinnlosen Kriegen,die Politesse,der
    Arge Mitarbeiter der Menschenrechte mit Füssen tritt,sie
    alle machen nur ihren Job.

    Genau diese Einstellung ist es,die mit dran schuld ist,
    das der Karren so tief im Dreck hängt.

    Es ist nie zu spät aufzustehn.

  7. freifrau sagt:

    @fyrtan

    Da gebe ich Dir Recht – es ist nie zu spät auszusteigen – es braucht nur Mut. Auch ich konnte mein Gesicht im Spiegel nicht mehr ertragen, weil ich für die falsche Seite gearbeitet habe, mitgeholfen habe Verblödungsfernsehen zu machen. Seit fast 2 Jahren bin ich da raus. Verdiene zwar weniger Geld, habe aber wieder mehr Selbstachtung und bin glücklicher. Und das Beste: Mehr Zeit für die wichtigen Dinge des Lebens, weil ich nun nicht mehr sooo viele Stunden machen muss.
    Kann nur allen Truthern raten: Habt den Mut! Seid konsequent, denn es wird euch ein Stück weit befreien.

  8. Berg sagt:

    fyrtarn und freifrau: ich gebe euch beiden recht, ich habe das auch nicht als entschuldigung, sondern als info getippt. dass ich da aussteigen musste hatte zwar vordergründige gesundheitliche gründe..wobei sich immer die frage stellt ob man das gewissen und den körper überhaupt voneinander trennen kann..beides hat in meinen augen seine gleichwertige berechtigung. damals war der verfall der bankenwelt gerade am beginn..heute wäre es für mich absolut unmöglich in diesem bereich erfolgreich und einkommensstark meinen lebensunterhalt zu verdienen. eher nur noch als berater auf honorarbasis..was in den meisten fällen in richtung schuldenberatung abdriftet. dazu habe ich leider nicht mehr die kraft vollzeit (damit meine ich die normale arbeitszeit eines selbstständigen von 14 std täglich)zu arbeiten.

    heute bin ich frei von diesem druck erfolgreich sein zu müssen und lege meine zeit und meinen wert mehr auf freundschaftliche mitmenschliche kontakte, zum wohl aller beteiligten. den gesellschaftlichen verfall kann man mittlerweile in allen bereichen spüren und sehen, wenn man nur will.
    trotz alledem gibt es lichtblicke, die einem die augen für das schöne und gute bei und zwischen den menschen aufzeigt und das herz erfreut.

    blicke auf das wesentliche und das gute und dein auge wird nicht getrübt..man sieht eh nur das was man auch sehen will (und kann).

  9. Berg sagt:

    ps. mein spiegelbild konnte ich immer gut sehen, wenn das nicht gepasst hatte war es zeit etwas zu verändern. kein spiegelbild, was dir nicht gefällt, ist auf dauer deinem körper, deinem geist und deinem leben zuträglich. es zerstört.

  10. fyrtarn sagt:

    @Berg
    Danke für die Info 😉

    Zitat;..wobei sich immer die frage stellt ob man das gewissen und den körper überhaupt voneinander trennen kann..

    Ich denke das Körper und Gewissen eine Einheit sind.Wenn man sich die neuen Statistiken anschaut,ist das schon heftig,wieviel
    Menschen durch Ihren Job krank werden,oder krank arbeiten gehen,abgesehn von dem Hungerlohn den viele verdienen.Als Kind
    bin ich im Ruhrpott groß geworden.Die Menschen haben hart gearbeitet,und alle haben gut verdient,ob Bergmann,Staßenfeger,
    Totengräber,jede Arbeit war Ehrenhaft.Jeder fand damals ein Teil
    seiner Identität in seinem Job,das war auch der Grund,das Deutschland in schwierigen Zeiten immer wieder hochkam.Diese
    Möglichkeit der Identität wurde in den letzten 2 Jahrzehnten von
    unseren Möchtegern-Politikern systematisch zersetzt.

    Zitat;…heute bin ich frei von diesem druck erfolgreich sein zu müssen und lege meine zeit und meinen wert mehr auf freundschaftliche mitmenschliche kontakte….

    Und das ist das was zählt!Das macht den Menschen stark!
    Das was die Möchtegern-Politiker heut abziehen wäre vor
    30 jahren so nicht möglich gewesen,weil die Menschen
    Kontakte und Freundschaften pflegten.Heut kochen die
    meisten ihre eigne Suppe,und solang die warm ist,schert
    man sich nen Dreck um andre.

    Ihr job als Berater ist ein guter Ansatz,
    wir brauchen Menschen die Aufstehen und die
    Dinge beim Namen nennen.Denn Feiglinge gibt es genug.

  11. Lilly sagt:

    Goldisch erzählt.

  12. fyrtarn sagt:

    @freifrau

    Zitat; …..weil ich für die falsche Seite gearbeitet habe, mitgeholfen habe Verblödungsfernsehen zu machen. Seit fast 2 Jahren bin ich da raus.

    Schön das du aus dieser Mühle raus bist.Ich hab mich vom
    Fernsehen vor 15 Jahren verabschiedet.Wenn ich heut etwas
    sehen will,dann suche ich es mir im Netz.Im Dezember war
    ich im Allgäu im Urlaub,hatte nen TV auf der Hütte,mal
    kurz angehabt,und?Nach 15 Jahren immer noch das gleiche System.
    Manipulation,Beschäftigungsindustrie pur,Hauptsache Ablenkung
    vom Wesendlichen.Die TV-Industrie ist ein Verbrechen,eine
    großangelegte Vergewaltigung der Massen.Und die Wenigsten
    merken,das sie irgendwann nicht mehr selbst,
    Denken,Fühlen und Leben können.

  13. […] Bankkaufmann“ früher auch bekannt als mein „Bankberater“. Weiterlesen: “Warum lieben Sie mich nicht?” – ein Anruf vom “Valentins-Banker” No comments Finanzsystem, Systemkrise, […]

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