Die Frauenquote – Ursulas Rache
Wenn am Donnerstag der durch die gestalterische Mehrheit von Rot-Rot-Grün im Bundesrat eingebrachte Gesetzesvorschlag zur festen Frauenquote im Bundestag behandelt und zur Abstimmung gebracht wird, dürften die Augen vieler auf Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) gerichtet sein. Die Über-Mutter aus Niedersachsen könnte Rache üben. An ihrer Partei, an die schwarz-gelbe Koalition, vor allem aber an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Von der Leyen, der auch Ambitionen aufs Kanzleramt nachgesagt werden, war mit ihrem Vorstoß, eine sogenannte Lebensleistungsrente noch in dieser Legislaturperiode einzuführen, kolossal gescheitert. Schlimmer noch: Merkel stützte sie nicht, sondern führte sie fast schon politisch vor: Zumindest verhinderte die Kanzlerin nicht, dass sich allerlei Hohn und Spott über die frühere Familienministerin ergoss. Das hat die siebenfache Mutter nicht vergessen, geschweige denn verwunden.
Nun also die Abstimmung über die Frauenquote, eine Herzensangelegenheit für von der Leyen und viele andere Unionsfrauen, die sich weitgehend unbeeindruckt von den Warnungen zeigen, dass die Fraktionsdisziplin unbedingt einzuhalten sei. So unsinnig die Idee einer Quote auch sein mag, so wenig sie für die Sache der Frauen auch bringt, könnte sich der Streit um sie zu einer veritablen Regierungskrise auswachsen. Viel wird vom Abstimmungsverhalten der Bundesarbeitsministerin abhängen: Hebt sie die Hand für den Gesetzesvorschlag der Bundestagsopposition dürften es ihr einige aus der Regierungskoalition gleichtun und Merkel damit in eine höchst unkomfortable Situation bringen. Immerhin würde das nicht weniger bedeuten, als das die Regierungschefin Deutschlands sich ihrer Mehrheit im Bundestag nicht mehr sicher sein kann. Und die Abstimmung zum Zypernpaket steht noch aus…
Von der Leyen weiß natürlich um die Implikationen, die eine erfolgreiche Verabschiedung der Frauenquote mit sich bringen würde. Deshalb ist es auch wahrscheinlicher, dass die in Belgien geborene CDU-Politikerin schlussendlich einknickt. Dennoch hat sie ihrer Partei und ihrer Chefin im Bundeskabinett bereits jetzt deutlich zu verstehen gegeben, dass man besser nicht allzu oft so mit ihr umspringt, wie man es bei der Lebensleistungsrente getan hat. Von der Leyen kann auch anders, so lautet die Botschaft, die sie mit ihrem Liebäugeln für den Vorschlag von Rot-Rot-Grün ausgesendet hat. Eilig einberufene Vier-Augen-Gespräche mit Merkel, die am Wochenende stattgefunden haben, haben von der Leyen bislang noch nicht dazu veranlasst, in der Öffentlichkeit zurück auf die Parteilinie umzuschwenken. Sie lässt dieses Mal die Kanzlerin zappeln, sie agiert und bringt Merkel, deren Vertraute sie einstmals war, in die Bredouille. Desto länger von der Leyen damit wartet, der Öffentlichkeit mitzuteilen, nach „reiflicher Überlegung“ nun doch gegen die Frauenquote zu votieren, desto mehr verliert sie von der härtesten aller Währungen für Politiker: der Glaubwürdigkeit. Sie geriert sich erst als Kämpferin für die Quote und kneift dann, wenn es zu der Abstimmung kommt? SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hat die Frauen und Männer von Schwarz-Gelb im Bundestag, die mit Ja stimmen wollen, aber nicht dürfen, bereits genüsslich dazu eingeladen, für den Vorschlag der Opposition zu stimmen. Eine vergiftete Einladung, völlig klar.
Von der Leyen müsste sich so langsam aber sicher erklären, was sie hinsichtlich der Frauenquote zu tun gedenkt. Ihr Ja wäre eine politische und vor allem auch eine persönliche Ohrfeige für die Kanzlerin. Gibt sich von der Leyen damit zufrieden, eine feste Quote ins Wahlprogramm der Union für die Bundestagswahl schreiben zu lassen, muss sie sich immerhin den Vorwurf gefallen lassen, eine Chance zur Einführung der Frauenquote verstrichen gelassen zu haben. Merkel jedenfalls dürfte viel daran gelegen sein, ein Ja des Bundestags zur Frauenquote zu verhindern. Würde das Plenum im Reichstagsgebäude nämlich zu der mehrheitlichen Auffassung kommen, dass eine Frauenquote eine befürwortenswerte Sache sei, dürfte es keine fünf Minuten dauern, bis die ersten Oppositionspolitiker mit der Forderung an die Öffentlichkeit treten, dass Merkel sich das Vertrauen vom Bundestag aussprechen lassen müsse, immerhin hätte ja ihre eigene Koalition gegen sie gestimmt. Diese Vertrauensfrage würde Merkel wohl noch ohne Probleme überstehen. Die Frage ist, ob die Kanzlerin ohne eine weitere Vertrauensfrage bis zur Wahl im September durchhält, immerhin waren die letzten Abstimmungen zur Euro-„Rettung“ denkbar knapp. Gut möglich also, dass Merkel in den kommenden Monaten von ihrer schärfsten Waffe zur Disziplinierung des Parlaments abermals Gebrauch machen muss. Ob sich die schwarz-gelbe Mehrheit dann erneut einlullen lässt, ist mehr als nur unsicher, denn so scharf die Waffe Vertrauensfrage auch ist, sie wird bereits nach einmaligem Gebrauch deutlich stumpfer und die Drohkulisse verliert ihren Schrecken.
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