Das Knopfkraut – ein unechter Franzose mit gutem Geschmack
Das Knopfkraut ist eher unscheinbar. Mit seiner Vitalität und Vermehrungsfreude bringt das Pflänzchen jedoch so manchen Gärtner an den Rand der Verzweiflung. Dabei ist der auch Franzosenkraut genannte Korbblütler ein sehr wohlschmeckendes und sehr gesundes Gemüse mit viel Potential für kulinarische Experimente. Das Knopfkraut ist ein Weltenbummler. Es stammt wie Tomate, Kartoffel und Mais aus Südamerika. Heutzutage ist es weltweit verbreitet. In Deutschland sind zwei Sorten vertreten. Das eher kahle kleinblütige Knopfkraut und das behaarte Knopfkraut, das seinen Namen den längeren Drüsenhaaren an der Blütenhülle und den erkennbar behaarten Blättern und Stielen verdankt. Beide sind gleichwertig nutzbar.
Im 18. Jahrhundert kamen die Knopfkräuter aus der neuen Welt nach Europa. 1776 pflanzte man es im Londoner Kew Gardens aus. 1794 fand man es auch in den Botanischen Gärten von Paris und Madrid. Dem Gründer des Madrider Gartens und Leibarzt des spanischen Hofes, Ignacio Mariano Martinez de Galinsoga, verdankt das Kraut seinen lateinischen Gattungsnamen galinsoga. Der Beiname cilita bedeutet „bewimpert“.
Im Botanischen Garten in Berlin hielt das Knopfkraut 1802 Einzug. Von dort gab man Samen an Pfarrgärten in Pommern, Bremen und sicher auch woanders weiter. In Frankreich baute man das Knopfkraut wegen seiner schmackhaften Blätter teilweise sogar landwirtschaftlich an. Von den Feldern und aus den botanischen Gärten heraus schaffte das vitale Pflänzchen bald den Sprung in die Freiheit und breitete sich fortan verwildert aus. Weil es gerne auf nährstoffreichen und sonnigen Böden wächst, wurde es bald vor allem in Kartoffel- und Gemüseäckern zum gefürchteten Unkraut.
Die explosionsartige Verbreitung des kleinen Wildkrautes fiel in die Zeit der napoleonischen Kriege. Weil man annahm, dass die Franzosen die Samen in ihren Pferdefuttersäcken eingeschleppt hatten, verpasste man ihm den Namen Franzosenkraut. Auch regionale Namen wie Gartenpest, Teufelskraut oder Scheißkraut zeugen von der großen Ablehnung, die dem vitalen Pflänzchen entgegenschlug. Es ist nicht zweifelsfrei erwiesen, dass wirklich die Franzosen für die rasche Verbreitung des Neophyten verantwortlich waren, doch auch der Name „Knopfkraut“ geht auf diese Unterstellung zurück. Die kleinen gelben Blütenköpfchen mit den dreilappigen weißen Blütenzungen sollen den Knöpfen der französischen Uniformen ähnlich sehen. Bezeichnenderweise nennt man die Pflanze in Frankreich „Russenkraut“.
Die Angst der Bauern und Gärtner vor dem vermeintlichen „Franzosen“ rührt von seiner extremen Vitalität. Eine einzige Pflanze kann bis zu 100.000 Samen hervorbringen, manche Quellen nennen sogar eine Samenzahl von 300.000 pro Pflanze. Schon vier Wochen nach dem Keimen können sie wieder erste Blüten bilden. Da die Pflanzen selbstbestäubend sind, sind sie zur Samenbildung nicht auf die Hilfe von Insekten angewiesen. So schaffen sie es auf bis zu drei Generationen pro Jahr. Auch noch nicht ganz ausgereifte Samen können keimfähig sein. Als Leichtgewichte verteilen sich fliegend und schwimmend oder kletten sich mit kleinen Haken an Tierfelle. So können sie sich in Windeseile verbreiten. Liegen die Samen erstmal in der Erde, sind sie mehr als 10 Jahre keimfähig und keimen erst dann, wenn die Bedingungen passen und es warm genug ist. Frühere Gärtner sahen deshalb ihre einzige Chance gegen das Kraut in Flammenwerfer oder Giftkeule.
Aufgeklärte Wildkrautgärtner nutzen das Knopfkraut lieber als leckeren Vitamin- und Mineralienspender. Obwohl es dem Kopfsalat geschmacklich sehr ähnlich ist, lässt das Franzosenkraut seinen Kulturkollegen bei den Inhaltsstoffen glatt im Regen stehen. Franzosenkraut ist sehr eiweißhaltig und reich an Mineralien wie Kalium und Phosphor. Es enthält fünfmal mehr Magnesium und elfmal mehr Calcium als die gleiche Menge Kopfsalat. Auch bei den Vitaminen steht es besser da und bringt viermal mehr Vitamin A und neunmal mehr Vitamin C auf den Teller. Mit 14 mg pro 100g ist das Franzosenkraut eine der eisenhaltigsten Pflanzen überhaupt und schlägt den Kopfsalat hier um das zwölffache. Zudem enthält es besonders viel Mangan. Mangan ist wichtig für die Bildung von Knochen- und Bindegewebe und spielt eine wichtige Rolle im Fett- und Kohlehydratstoffwechsel.
Umso schöner ist es für den Wildkrautfan, dass der Wildsalat von Mai bis spät in den Herbst verfügbar ist und ständig junge Pflanzen und Triebe nachkommen. Der an Kopfsalat erinnernde Geschmack ist ganzjährig mild. Aus Blättern, Stielen, Blütenknospen und jungen Blüten kann man schmackhaften Wildspinat und Gemüse kochen oder sie roh in Salaten, Frischsäften oder Pesto verwenden. An den behaarten Blättern des behaarten Franzosenkrautes haftet Salatdressing übrigens besonders gut. Damit die Blätter nicht matschig werden, sollten sie jedoch erst kurz vor dem Servieren mit der Sauce gemischt werden.
Der charakteristische Geruch des Knopfkrautes erinnert ein wenig an frischen Kohl. Wer das nicht mag, sollte die Pflanzen vor der Blüte nutzen. Bis zum Beginn der Blüte sind Blätter und Stiele zudem viel zarter. Bei älteren Pflanzen kann der Stängel zäh werden, hier erntet man dann nur die oberen Triebspitzen mit den letzten Blättern und Blüten. Die Pflanze treibt nach einer solchen Ernte meist dichter wieder aus.
Damit man bei der Ernte junger oft nur lose wurzelnder Pflanzen nicht Gefahr läuft, die Pflänzchen ganz auszureißen, sollte man sie vorsichtig abknipsen oder noch besser mit einer Schere ernten. Sollte die Wurzel doch einmal ausreißen, ist das aber auch kein Beinbruch, in feuchter Erde wachsen die Pflanzen meist schnell wieder an.
Als ursprünglich tropische Pflanzen sind die Knopfkräuter frostempfindlich. Sie sterben in den Wintermonaten ab und treiben im Frühjahr aus den Samen neu. Für den Winter eignet sich deshalb ein Vorrat aus getrockneten Blättern als Würze oder Suppeneinlage. In seiner südamerikanischen Heimat ist das Knopfkraut ein unersetzliches Gewürz in der traditionellen Hühnersuppe ajiaco, die schon die Ureinwohner mit Kartoffeln, Mais, Avocado und dem Guascas genannte Knopfkraut-Gewürz zu festlichen Anlässen zubereiten.
Aus den Knopfkraut-Samen lässt sich ein Speiseöl pressen, man kann sich aus ihnen aber auch einen Vorrat für die winterliche Keimlings-Zucht anlegen. Nach dem Trocknen bewahrt man die Samen dafür am besten in dunklen Gläsern auf. Da die Samen sehr klein sind, kann man sie zum keimen wie Kresse auf eine angefeuchtete Unterlage aus Zellstoff oder Watte legen.
Da das Knopfkraut in unseren Gefilden eher ein Neuling ist, gibt es hierzulande keine überlieferte volksmedizinische Heilanwendung. Es soll jedoch blutreinigend wirken und gegen Vitamin-C-Mangel und Anämie helfen. In der Homöopathie wird es gegen grippale Effekte genutzt. Die traditionellen Heiler der Afrikanischen Zulu sollen den auch in Afrika verbreiteten Neuankömmling als Mittel gegen hohen Blutdruck entdeckt haben. Klinische Untersuchungen der Universität von Kwa-ZuluNatal in Südafrika bestätigten den blutdrucksenkenden Effekt.
In Brasilien soll der Tee aus Blättern und Blüten des “Picão Branco“ zur Linderung von Magenbeschwerden, Leberschmerzen und anderen Infektionen des Verdauungsapparats angewendet werden. Die Phytotherapie setzt Knopfkrauttinkturen gegen Krebsleiden ein.
Auch auf den Garten hat das Knopfkraut positive Wirkungen. Es liefert wertvollen Kompost und eignet sich zur Gründüngung. Schildkröten, Vögel und Nager haben das frische Kraut zum fressen gern. Chinchillas sollen es lieber getrocknet mögen. Wildbienen und Hummeln besuchen gerne die kleinen Blüten.
Es gibt also viele gute Gründe, sich das Knopfkraut in den Wildkrautgarten zu holen. Bei seiner hohen Vermehrungsrate sollte das ja kein Problem sein. Zumal man überall sieht, dass das Knopfkraut ins seiner Standortwahl ziemlich anspruchslos ist. Man findet es an undankbaren Stellen wie Gehsteigritzen, zwischen Betonplatten am Baggersee oder an stark befahrenen Straßenkreuzungen im Herzen Berlins. Umso mehr wurmt es mich, dass ich es nicht schaffe, dieses angeblich so ausrottungsresistente Kraut in meinem Garten anzusiedeln. Vor Jahren hatte sich einmal eine Pflanze von selbst vor meinen Komposthaufen verirrt. Was habe ich mich da gefreut und sie ausgiebig Aussamen lassen. Aber im nächsten Jahr: Nichts!
Seitdem säe ich jedes Jahr Tausende von Knopfkrautsamen in alle Beete und Ecken meines Gartens, aber nicht ein Pflänzchen lässt sich jemals sehen. Zum Glück hat meine Schwiegermutter einen reichhaltigen Fundus an Knopfkrautpflänzchen in Ihrem Vorgarten, so dass ich mir jedes Jahr ein paar Exemplare mitbringen und einpflanzen kann. Vielleicht sollte ich ja die Samen zu Abwechslung mal nicht in die Erde, sondern in die Spalten zwischen den Terrassenplatten streuen? Einen Versuch wäre es vielleicht wert.
Es gibt also viele gute Gründe, sich das Knopfkraut in den Wildkrautgarten zu holen. Hier noch ein paar Rezepte, um das Knopfkraut auch kulinarisch kennen zu lernen. Weitere Wildpflanzen-Rezepte und mehr Wissenswertes über Essbare Pflanzen, Heilkräuter und Spannendes aus der Natur gibt es auf www.wildkrautgarten.de.
Fröhliches Wildkräutern!
Der Wildkrautgarten
Franzosenkrautsalat mit Avocado
Knopfkraut-Blätter und –Blüten in mundgerechte Stücke zupfen und mit einer Vinaigrette aus 1 Teelöffel Zitronensaft, 2 Teelöffeln Wasser, 2 Teelöffel Olivenöl und einer Prise Salz übergießen. Avocado schälen, würfeln und über den Salat geben. Dazu passen auch gut Orangenschnitze.
Franzosenkraut-Pasta
Nudeln nach Packungsanleitung zubereiten. Für die Sauce zwei Frühlingszwiebel würfeln und in etwas Olivenöl anschwitzen. 500 g Franzosenkraut hacken und zusammen mit 100 g gewürfelten, getrockneten Tomaten in die Pfanne geben. Mit Salz, Pfeffer, Knoblauch und Thymian nach eigenem Geschmack würzen und mit einem Becher Sahne ablöschen. Vor dem Servieren mit ein paar Blüten garnieren.
Franzosenkraut-Pesto
2 Handvoll Franzosenkraut, 2 Zehen Knoblauch, 50 g Sonnenblumen- oder Pinienkerne
2 Teelöffel eingelegte getrocknete Tomaten und einen halben Teelöffel Salz
im Mixer zerkleinern. 120 ml Olivenöl langsam auf das laufende Messer geben, bis eine homogene Masse entsteht.
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