Topinambur – Sonnenwurzel mit pikanter Wirkung
Wer glaubt, dass es im Winter nichts zu ernten gibt, der liegt falsch. Nicht nur in so warmen Wintern wie diesem hält die Natur noch einige Leckereien bereit. Ein komplett frosthartes, sehr gesundes und vielseitig verwendbares Wintergemüse ist die aus Nord- und Mittelamerika stammende Topinambur, welche auch hierzulande als verwilderter Einwanderer Fuß gefasst hat. Topinambur ist präbiotisch und kalorienarm, macht lange satt und kann sogar glücklich machen. Auch für Diabetiker ist sie gut geeignet. Allerdings gibt es auch ein pikantes Geheimnis, das man vor dem Genuss der Sonnenwurzel unbedingt wissen sollte.
Eine Sonnenblume mit leckeren Wurzeln
Topinambur ist eine Sonnenblumenart. Mit der bekannten großen Sonnenblume ist sie eng verwandt. Ihre Blüten sind jedoch viel kleiner. Oft blüht sie gar nicht, denn als Kurztagspflanze bildet sie ihre Blüten erst spät im Jahr. In unseren Breiten kommt ihr dann oft der erste Frost dazwischen. Das ist aber nicht weiter schlimm, denn die Besonderheit der Topinambur findet sich unter der Erde. Im Spätherbst bildet sie an ihrem Wurzelstock zahlreiche Knollen, die roh oder gegart für viele leckere Rezepte verwendbar sind. Diesen Speicherorganen verdankt sie ihren lateinischen Namen „Helianthus tuberosus“ – knollige Sonnenblume. Die Algonkin-Indianer nannten sie liebevoll „Sonnenwurzel“.
Das helle Fleisch der rohen Topinambur-Knolle schmeckt leicht nussig und etwas süßlich. Mich persönlich erinnert der Geschmack an Wasserkastanien, andere finden ihn artischockenartig. Die Konsistenz ähnelt der eines knackigen Kohlrabis. Die dünne Schale kann man mitessen, zumal die meist unförmige Form der Knollen das Schälen sowieso etwas mühsam macht. Wer die Topinambur trotzdem schälen möchte, kann sie kurz blanchieren, in kaltem Wasser abschrecken und dann wie eine Pellkartoffel enthäuten. Da geschälte und geschnittene Topinambur ähnlich wie geschälte Äpfel sehr schnell braun werden, sollten sie rasch verarbeitet werden. Durch Zugabe von Zitronensaft kann man die Verfärbung verzögern. Gekochte Topinamburknollen schmecken ebenfalls leicht nussig und süßlich, und erinnern an eine Mischung aus Schwarzwurzel, Artischocke, Kohlrabi und Spargel.
Tolle Knolle für Figurbewußte und Diabetiker
Die Topinambur-Knollen enthalten nur 31 kcal pro 100g – das sind 60% weniger als Kartoffeln. Gleichzeitig bringt die Topinambur mehr Mineralien und Spurenelemente als diese auf den Teller. Durch den hohen Gehalt an Kalium wirken sie entwässernd, entschlackend und blutdrucksenkend. Das reichhaltig enthaltene Eisen fördert die Blutbildung. Calcium und Kieselsäure festigen Knochen und Zähne und beugen Haarausfall vor. Auch Vitamine und pflanzlichen Eiweiße sind in der Topinambur-Knolle reichlich vorhanden. Wichtigster Inhaltsstoff ist jedoch das präbiotisch wirksame Inulin, das Topinambur für Diabetiker besonders verträglich macht, die Darmgesundheit fördert und beim Abnehmen helfen kann.
Obwohl ähnlich aufgebaut, kann Inulin im Gegensatz zur Stärke wegen fehlender Enzyme nicht von unserem Verdauungssystem aufgeschlossen werden und erhöht damit den Blutzuckerspiegel nicht. Für Diabetiker ist die Topinambur also eine interessante Alternative zur Kartoffel, zumal sie sehr ähnlich zubereitet werden kann. Regelmäßiger Verzehr soll zudem die Cholesterin- und Blutfettwerte senken. Auch beim Abnehmen kann die Knolle helfen, denn das Inulin passiert den Dünndarm als unverdaulicher Ballaststoff. Bei genügender Flüssigkeitszufuhr quillt es auf und ruft dadurch ein rasches und intensives Sättigungsgefühl hervor. Auch die Homöopathie kennt Topinambur als Mittel zur Gewichtsreduktion.
Im Dickdarm dient das unverdaute Inulin dann den gesundheitsfördernden Bifidobakterien als Nahrung und hilft ihnen, sich zu vermehren. Weniger erwünschte Keime und Hefepilze werden dadurch im Wachstum gehemmt. Inulin fördert so als Präbiotikum eine gesunde Darmflora. Ein gesunder Darm ist wichtig für das Immunsystem.
Das pikante Geheimnis
Im Abbau des Inulins durch die Bakterien des Dickdarms liegt jedoch auch das pikante Geheimnis der Knollen. Ist die Darmflora noch nicht an die Verdauung des Ballaststoffs gewöhnt, kann es zu vermehrter „Gasbildung“ kommen. Um schmerzhafte oder auch einfach peinliche Blähungen zu vermeiden, sollte man deshalb mit dem Verzehr von Topinambur grundsätzlich vorsichtig beginnen. Am besten testet man erstmal die Wirkung einer halben Knolle täglich und steigert die Menge dann langsam. Wer empfindlich ist, sollte vielleicht auch nicht unbedingt vor einem Date oder Geschäftstermin an den Knollen knabbern. Die Zugabe von Kümmel bei der Zubereitung kann die Wirkungen abmildern.
Trotz seiner zu Anfang „windigen“ Nebenwirkungen sollte man sich aber den kulinarischen Genuss und die positiven gesundheitlichen Wirkungen der Topinambur-Knollen nicht vermiesen lassen. Ob roh, gekocht, gedünstet, gebacken oder frittiert, als Püree, Auflauf, Gemüse oder in Essig eingelegt –Topinambur ist unglaublich vielseitig. Sogar als Kaffee-Ersatz kann man sie verwenden. Wie bei der dafür eher bekannten Zichorie wandelt sich auch bei der Topinambur das Inulin beim Rösten teilweise zu Oxymethylfurfurol um. Dieses sorgt für ein kaffeeähnliches Aroma. Im Schwarzwald wird aus den Knollen traditionell ein Verdauungsschnaps gebrannt.
Anbau: Einfacher geht’s nicht.
Die tollen Knollen lassen sich im Garten oder sogar im Blumentopf völlig unkompliziert und sehr ertragreich anbauen. Und das ganz ohne viel Arbeit. Die Knollen werden einfach ein paar Zentimeter tief in den Boden gesteckt und das war’s. Kein Jäten, kein Düngen, kein Ungeziefer. Topinambur ist absolut anspruchslos, nur Staunässe mögen sie nicht. Einfach wachsen lassen und im Herbst und Winter ernten.
Auch wenn das Kraut bei den ersten Frösten abstirbt, sind die je nach Art etwa kartoffelgroßen Knollen vollständig winterhart. Sie können bis ins späte Frühjahr hinein geerntet werden. Außerhalb der Erde halten die Knollen nicht lange und werden schnell schrumpelig. Man sollte sie darum am besten so lange wie möglich in der Erde lassen und dann in einer Tüte im Kühlschrank aufbewahren und recht schnell verbrauchen.
Topinambur ist ideal für den pflegeleichte Permakulturgarten, denn egal wie viel man erntet, sie kommt normalerweise immer wieder. Aus kleinen Wurzelstücken, vergessenen Knöllchen und selbst aus von Nagern ausgehöhlten Knollen treibt sie im Frühjahr wieder aus.
Nicht bei allen beliebt
Gerade diese Vitalität macht die Topinambur bei vielen Gärtner und Naturschützern unbeliebt. Es kann schon mal vorkommen, dass Wühlmäuse eine Knolle woanders hin tragen und dort dann ein Pflänzchen wächst. Auch wenn man das Beet anderweitig bepflanzen will, kann es schwer werden, die Pflanzen wieder loszuwerden. Dasselbe gilt für verwilderte Exemplare an Uferböschungen. Durch die flachen Wurzeln und begeistert nach den Knollen buddelnde Nager kann die Topinambur dort zur Gefahr werden. Allerdings kann die Knollenbildung durch zweimaliges Abmähen des Grüns im Juni und August fast vollständig unterdrückt werden. Innerhalb weniger Jahre sind die verbleibenden Speicherknollen dann ausgelaugt.
Die wechselhafte Karriere der Sonnenknolle
Heute als Abnehm-Gemüse gefeiert und als invasiver Neophyt verhasst, haben die Topinambur-Knollen schon seit ihrer Entdeckung durch die Europäer eine überaus wechselhafte Laufbahn hinter sich. Als „Kanadischer Erdapfel“ traten sie Anfang des 17. Jahrhunderts ihre Reise nach Europa an. Wolf-Dieter Storl berichtet in seinem lesenwerten Buch „Wandernde Pflanzen“, dass sie von Samuel de Champlain, dem Gründervater des französischen Kanadas in den Gärten der Indianer entdeckt wurden. Sie retteten in einer Hungersnot den ersten Siedlern das Leben und eroberten als exotische Spezialität bald darauf die Gaumen der französischen Hofgesellschaft. Da zur selben Zeit auch einige aus Brasilien verschleppte Indianer des Stammes der „Tupinambous“ zum vielgestaltigen Amüsement am Hof herumgereicht wurden, nannten clevere Händler die Knollen bald „Gemüse der fabelhaften Tupinambour“. Der klangvolle Name der südamerikanischen Indianer war zum Inbegriff alles Exotischem geworden und so verkauften sich auch die nordamerikanischen Sonnenblumenknollen unter dem Namen besser.
Die Italiener nannten sie treffender „die Sonnenblume, die nach Artischocke schmeckt“, in der Landessprache girasol articiocco. Die Engländer verballhornten diesen Namen zur jerusalem artichoke – wie die Topinambur im englischen noch heute heißt. Auch die Deutschen übernahmen den Beinamen Jerusalem-Artischocke. Eine Zeitlang wurde die Topinambur parallel zur Kartoffel auf den Äckern der Landbevölkerung angebaut und erfreute sich im 17. und 18. Jahrhundert einiger Beliebtheit. Dass sie gerade in Krisenzeiten eine Rettung für die Hungernden war, wurde der vitalen Knolle nach der Zeit der großen Kriege jedoch zum Verhängnis. Als Arme-Leute-Essen war sie bei den Kriegsgenerationen verpöhnt und wurde zum Viehfutter degradiert. Die Verbreitung der Kartoffel und die moderne Landwirtschaft gaben ihr den Rest. Weil Topinambur einmal gepflanzt so ungestüm wuchert, macht sie eine geregelte Fruchtfolge schwierig. Auch die maschinelle Ernte und Lagerung sind bei der Kartoffel einfacher, welche die Topinambur auch wegen der höheren Kaloriendichte in der Mitte des 20. Jahrhunderts immer mehr verdrängte.
Seit einigen Jahren erlebt die knollige Sonnenblume jedoch wieder eine Renaissance. Nicht nur in den Küchen der Feinschmecker ist sie wieder häufiger zu finden, auch als Energiepflanze wird sie wegen des hohen Zuckergehalts der Knolle zunehmend entdeckt. Im Ethanolertrag liegt die Topinambur direkt hinter Zuckerrüben. Aus 100kg lassen sich 8 bis 10 Liter Alkohol gewinnen. Auch die üppige und mehrjährig wachsende Pflanzenmasse ist ein ertragreicher Rohstoff für Biogasanlagen. Topinambur ist auch bei den Imkern beliebt. Wenn sie es denn schafft zu blühen, gilt sie als gute Herbst-Bienenweide Die Anthroposophen entdeckten in ihr eine lichthafte Alternative zum Nachtschattengewächs Kartoffel – welche gut in ihr ganzheitlich orientiertes Ernährungs-Konzept passt. Als Krisenvorsorge ist eine so reichlich wachsende Nahrungsquelle sicher auch nicht zu verachten
Probieren Sie die Sonnenwurzel doch auch mal aus, unten finden Sie ein paar Rezepte und im Internet noch viele mehr. Aber nicht vergessen: Langsam anfangen mit den tollen Knollen!
Die Pflanze des Monats erscheint immer als exklusive Vorab-Veröffentlichung auf IKnews. Mehr Wissenswertes über Essbare Pflanzen, Heilkräuter und Spannendes aus der Natur gibt es auf www.wildkrautgarten.de. © Mandy Bantle
Fröhliches Wildkräutern!
Der Wildkrautgarten
Rezepte mit Topinambur
Topinambur-Orangen-Salat
Zitronensaft, Orangensaft und etwas süße Sahne zu einem Dressing verrühren. Pro Person 1 Knolle Topinambur waschen, in dünne Stifte schneiden oder grob raspeln und sofort mit dem Dressing mischen. Kleingehackte Walnüsse und Orangenstücke unterheben. Wer will kann das ganze noch mit gerösteten Sonnenblumenkernen und Kresse- oder Alfalfa-Sprossen garnieren.
Topinambur- Apfel-Salat
1 Teelöffel Senf, 50 ml Orangensaft, 50 ml Olivenöl und jeweils eine Prise Salz, Zucker und Pfeffer mit dem Pürierstab zu einem cremigen Dressing schlagen. Je 200 g Topinambur und Apfel in dünne Scheiben oder Stifte hobeln, mit dem Dressing mischen und auf einem Teller mit ein paar kleingehackten Walnüssen anrichten. Der Salat schmeckt auch gut durchgezogen am nächsten Tag noch gut.
Topinambur-Püree
Topinambur-Knolle schälen und klein schneiden. In leicht gesalzenem Wasser ca ein Viertel-Stunde lang kochen. Wasser abgießen und mit etwas Milch und ein paar Flocken Butter zu einem Brei stampfen. Mit Salz und etwas Muskat abschmecken.
Tag und Nacht – Topinambur-Kartoffel-Gratin
Je 500 g Kartoffeln und Topinambur-Knollen ca. 10 Minuten in Salzwasser, in ca. ½ cm dicke Scheiben scheiden und lagenweise in eine Gratin-Form schichten. Zwischen die Schichten jeweils etwas geriebenen Käse streuen. 400 ml Rahm, 300 ml Milch und ein Ei verqirlen. Mit Salz, Pfeffer, Muskatnuss etc. kräftig würzen und über die Lagen gießen. Obendrauf noch mal geriebenen Käse geben und für ca. 45 Minuten bei 180 Grad im Ofen garen. (Eventuell nach 20 Minuten Gratin abdecken, damit der Käse nicht zu dunkel wird.)
4 Responses to Topinambur – Sonnenwurzel mit pikanter Wirkung
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Das war Gedankenübertragung, denn ich dachte mir Deine Kräuterkunde die Du bis letzten Jahres, oder war es schon vorletztes, die fand ich immer sehr interessant. Hagebutten und Co die sollten wir alle kennen. Nicht wegen Panik und so, nein einfach weil sie gesund sind. Brennnessel oder Holunder nichts besseres.
Gratis in der Natur, da gibt es viele Dinge, die wir meistens leider nicht kennen. Die Schätze der Natur, ich fand sie gut 🙂
Hallo Jörg,
Deine Beiträge zu den Schätzen der Natur lese ich immer sehr gerne! Wäre es vielleicht möglich, die Beiträge als PDF zum Download zur Verfügung zu stellen? Somit könnte man sich ein kleines Sammelsorium … eine Bibliothek zusammenstellen!?
Ich finde die Serie auch klasse.
In diesem Fall besonders die Salattips.
Klingt beides schon sehr lecker 🙂
@ nimajneB
PDFs könntest Du auch selbst produzieren…
Unter (öhm, sorry) Windowfs zB mit PDFCreator.
[…] 05.01.2014 auf iknews.de von der […]