Die Kleine Braunelle – ein vergessenes Allheilmittel
Die kleine Braunelle (prunella vulgaris) wirkt stark antibiotisch und kann von Halsschmerzen bis Bluthochdruck verschiedenste Beschwerden lindern. Früher galt sie als wichtige Heilpflanze gegen Diphtherie. Heute ist die Kleine Braunelle in Europa weitestgehend in Vergessenheit geraten, obwohl sie verbreitet auf Waldwegen und Wiesen wächst.
Die Traditionelle Chinesische Medizin setzt sie dagegen in zahlreichen Rezepturen ein, unter anderem gegen schwerwiegende Krankheiten wie Krebs, Aids oder Tuberkulose. Neueste wissenschaftliche Forschungen bestätigen das große medizinische Potential des unscheinbaren Lippenblüters, auch als mögliche pflanzliche Alternative bei der Behandlung von Herpes, Diabetes oder ADHS.
Ursprünglich in Europa und Asien heimisch, ist die kleine Braunelle heute weltweit in den gemäßigten Klimazonen verbreitet. In Mitteleuropa kommt sie vom Flachland bis in Höhen von ca. 2000 Metern recht häufig vor. Mit einer Größe von 5 bis 40 cm Höhe ist sie jedoch eher unauffällig. Dicht über dem letzten Blattpaar bildet sich der Blütenstand mit zahlreichen lilafarbenen Lippenblüten. Er ähnelt ein wenig der Lavendelblüte. Beinamen wie Gottheil oder die englischen Bezeichnungen Self-Heal und Allheal belegen, dass die Kleine Braunelle in früheren Zeiten auch in Europa als Heilpflanze geschätzt und sogar als eine Art Universalheilmittel gepriesen wurde. Volksheilkundlich wurde sie bei Entzündung und Geschwüren im Mund- und Rachenraum, bei Magen-Darmerkrankungen, zur Fiebersenkung und zur Wundheilung verwendet. Nach der Einführung chemischer Medikamente geriet sie – wie so viele pflanzliche Heilmittel – weitestgehend in Vergessenheit.
Ganz anders in Asien. Als Xia Ku Cao sind die getrockneten Blütenstände der Kleinen Braunelle dort in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) bekannt und beliebt. Zubereitungen daraus werden unter anderem gegen Bluthochdruck, Hepatitis, Brustdrüsenentzündung, Tuberkulose oder Krebs verwendet. Die medizinische Verwendung der Kleinen Braunelle hat in Asien lange Tradition. Die früheste schriftliche Erwähnung des Heilkrauts findet sich im Shennong bencao jing. Dieses Buch über Ackerbau und Heilpflanzen soll vom chinesischen Urkaiser Shennong um 2800 v. Chr. verfasst worden sein. Auch wenn sich die Experten heute über das tatsächliche Alter des Buches uneinig sind, ist die Jahrtausende lange Verwendung der Kleinen Braunelle als wichtiges Heilkraut in Asien unbestritten. In der Region Kaschmir wird die kleine Braunelle im Rahmen der traditionellen und von der indischen Gesundheitsbehörde anerkannten Unani-Medizin offiziell in Kliniken verwendet. So ist sie in zahlreichen Kräutermischungen gegen Halsentzündungen, Erkältungen oder für Sitzbäder nach der Geburt enthalten. Ärzte der Region empfehlen eine Inhalation mit heiß aufgegossenem Braunellen-Kraut gegen Kopfschmerzen und behandeln erfolgreich Herpeserkrankungen mit wässrigen Auszügen der Pflanze.
Auch die Indianer Nordamerikas kannten und nutzten die kleine Braunelle zu Behandlung verschiedener Krankheiten. Die Algonquin verwendeten den Tee gegen Fieber. Zur Stärkung des Herzens tranken sie einen schwachen Dekokt aus Wurzeln, Blättern und Blüten. Die Irokesen nutzten Auszüge der Pflanze gegen Erbrechen und Durchfall, bei Husten und Erkältungen oder bei Magenschmerzen und Krämpfen. Auch Rückenschmerzen oder Diabetes wurden damit behandelt. Bei verschiedenen Stämmen verbreitet war die Anwendung zur Waschung von Wunden und Verbrennungen, bei Halsschmerzen oder einfach als wohlschmeckendes und kühlendes Getränk. Druckstellen oder Augenentzündungen ihrer Pferde behandelten die Indianer ebenfalls durch Einreibungen und Spülungen mit Braunellen-Tee.
Vor dem Hintergrund einer 2010 erfolgten Patentanmeldung der südkoreanischen Pharma-Firma Dongkook Pharmaceutical ist vor allem die von mehreren Indianer-Stämmen berichtete Nutzung des Braunellen-Tees zur Beruhigung ständig schreiender Säuglinge spannend. Der Patentantrag des Unternehmens beinhaltet nämlich die Verwendung eines wässrigen oder alkoholischen Braunellen-Extraktes zur Behandlung von ADHS und von damit einhergehenden psycho-sozialen Störungen oder Lernproblemen. Auch wenn meiner Kenntnis nach hier noch kein offizielles Medikament auf dem Markt ist, bietet die kleine Braunelle also möglicherweise eine pflanzliche Alternative zur Behandlung von ADHS ohne die schlimmen Nebenwirkungen der chemischen Psychopharmaka. Auf einen Versuch mit dem wohlschmeckenden Braunellen-Tee sollten es betroffene Eltern vielleicht einfach mal ankommen lassen, bevor sie ihren Kindern drogenklassifizierte Stoffe wie Ritalin geben.
Insbesondere asiatische Forscher sind auf zahlreiche weitere vielversprechende Hinweise für Anwendungsmöglichkeiten der Kleinen Braunelle gestoßen oder haben altbekannte Heilwirkungen wissenschaftlich untermauert. Verschiedene Studien belegen: Die Kleine Braunelle wirkt blutdrucksenkend, entzündungshemmend, antibakteriell, antiviral, antiseptisch, leberschützend, antirheumatisch, wundheilend, harntreibend sowie tumor- und HIV-hemmend. Einige Inhaltstoffe der kleinen Braunelle wirken außerdem antidiabetisch, indem sie den Anstieg des Blutzuckersspiegels verringern, antioxidativ wirken und einen schützenden Effekt auf Bauchspeicheldrüse ausüben.
Ein wichtiges Einsatzfeld der Kleinen Braunelle wird zukünftig sicher auch die Behandlung von Herpes sein. Studienergebnisse kanadischer und chinesischer Forscher haben kürzlich gezeigt, dass bestimmte Extrakte der Kleinen Braunelle sogar bei Aciclovir-resistenten Herpes-Formen wirksam sind. Die Wirksamkeit bei Lippen-Herpes kann ich persönlich bestätigen und nutze dagegen nichts anderes mehr.
Für die eigene Hausapotheke kann man sich die Wirksamkeit der kleinen Braunelle leicht zunutze machen, da sie relativ weit verbreitet wächst. Das Gurgeln mit Tee oder verdünnter Tinktur hilft bei Halsschmerzen und Entzündungen im Mund- und Rachenraum. Den Tee kann man bei chronischen Atemwegsinfektionen, Magen- und Darmkatarrhen, grippalen Infekten, zu starker Monatsblutung oder leichten Durchfällen trinken. Auch auf Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren und Erkrankungen der Harnorgane soll er positive Wirkungen haben. Als Sitzbad soll er sich zur Linderung von Hämorrhoiden eignen. Bei Verletzungen oder entzündlichen Hautproblemen kann man einen teegetränkten Umschlag anlegen. Zur Linderung von wunden Hautstellen oder Akne kann man den Braunellen-Tee aber auch sanft mit einem Wattebausch auf die betroffenen Stellen tupfen. Bei Zahnfleischproblemen oder zur Wundreinigung benutzt man am besten eine Braunellen-Tinktur. Das Auftupfen der Tinktur, einer Braunellen-Salbe oder direkt des frischen Pflanzensaftes auf befallenen Stellen kann wie gesagt auch bei Herpes-Infektionen helfen.
Neben all den heilenden Eigenschaften ist die kleine Braunelle übrigens auch kulinarisch verwendbar. Die ganze Pflanze enthält unter anderem Vitamin A und C. Sie hat relativ wenig Eigengeschmack, eignet sich aber durch die leichte Bitternote als ergänzendes Gewürz. Von April bis Mai kann man die jungen Blätter und Triebe, von Mai bis September die Knospen und Blüten in Wildsalaten, Kräutersuppen, Eintöpfen oder als Mischspinat mit anderen Wildkräutern verwenden. Fein gewiegt eignen sich die feinherben Blätter und Blütenknospen als Brotbelag oder als Zutat für Kräuterbutter, Dressings oder Kräuterquark. Für einen gesunden und wohlschmeckenden Tee kann man die frische oder getrocknete Pflanze entweder mit heißem Wasser aufbrühen oder ein paar Stunden im kalten Wasser ziehen lassen. Der Tee schmeckt leicht süßlich und wirkt als Eistee kühlend auf den Körper. Per Kaltauszug über Nacht lassen sich mit den getrockneten Blättern und Blüten der Kleinen Braunelle auch Getränke wie Fruchtlimonaden oder Bowlen aromatisieren.
Wer sich die Heilkräfte und kulinarischen Möglichkeiten der kleinen Braunelle in den Garten holen will, kann sie gut am Rand eines nicht zu kurz gehaltenen Rasens ansiedeln. Über oberirdische Ausläufer und lichtkeimende Samen bilden sich bald kleine Bestände ohne zu sehr zu wuchern. Regelmäßiges Mähen verzeiht sie im Allgemeinen gut und bildet wie Gänseblümchen schnell neue Blütenköpfe. An sonnigen Standorten enthält sie mehr Wirkstoffe, gedeiht aber auch im Halbschatten gut. Am besten erntet man die kleine Braunelle von Juli bis August, wenn sie in voller Blüte steht. Pflückt man nur die oberen Triebspitzen mit Blüte und ein bis zwei Blattpaaren, wachsen aus den Blattachseln tiefer liegender Blätter neue Blütentriebe nach.
Die Pflanze des Monats erscheint immer als exklusive Vorab-Veröffentlichung auf IKnews. Mehr Wissenswertes über die kleine Braunelle und weitere Essbare Pflanzen und Heilkräuter demnächst auf www.wildkrautgarten.de. (c) Mandy Bantle
Fröhliches Wildkräutern!
Der Wildkrautgarten
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