Die mentale Belastungsgrenze

Im Augenblick steht der Endspurt für die Auswanderung an, das merke ich auch persönlich. Insgesamt sind es noch etwa 4 Monate und im Hinblick auf die noch zu bewältigenden Aufgaben ist das ein wirklich knapper Zeitraum. Anders als bei einem Umzug in die Nähe, muss hier alles bis ins Detail geplant werden und man sollte auch die Ausführung im Griff haben. Man kann nicht einfach ein paar Kartons bei einem Freund unterstellen und die ein paar Tage später abholen, alles was nicht auf Anhieb dabei ist, verursacht erheblich mehr Aufwand und Kosten.


Wir sind bereits dabei die „Altlasten“ zu sortieren und Alles was nicht mehr benötigt wird in den Container zu schaffen. Der Rest sollte dann später nur noch Formsache sein. Wenn man aber beginnt die gesammelten Werke eines Lebens zu analysieren, ist man Anfangs sehr schnell überfordert. Was soll wirklich mit, woran hängen wirklich Emotionen und Erinnerungen? Was könnte nützlich sein, was ist überflüssig? Fragen die man irgendwann kurz und schmerzlos beantworten muss, sonst kann man der Lage auf keinen Fall Herr werden.

Zwischenzeitlich hatte ich mir so viele Aufgaben übergeholfen, dass ich an meine mentale Belastungsgrenze geriet. Im Prinzip war mir klar, dass ich es nicht schaffen würde alles innerhalb des Zeitraums zu schaffen. Das hat mich wertvolle Zeit gekostet, da ich in der Zeit komplett auf Durchzug geschaltet habe. Nach einem Gespräch mit meinem Bruder habe ich einfach akzeptiert, dass ich einige Dinge nicht mehr schaffen werde. Das war eigentlich das Schwierigste für mich. Andererseits, bin ich eben auch nur ein Mensch und die haben nun mal ihre Grenzen. Es ist sehr wichtig die auch zu erkennen, da man sonst irgendwann komplett ausgebrannt ist.

Zum Beispiel habe ich in dem Mehrfamilienhaus das uns gehört noch eine Wohnung die zwar entkernt, aber eben noch nicht fertig saniert ist. Die Elektrik ist schon neu, aber es müssen noch die Wasserleitungen, Fliesen gelegt werden. Verputzen, Türen einbauen und die Decke vertäfeln. Sanitäranlagen müssen noch wie die Dusche eingebaut werden, eigentlich kein wirkliches Thema, aber halt nicht mehr in der kurzen Zeit umsetzbar. Das kam bei mir also mit auf die „nice to have, but not possible Liste“. Da gab es noch einige Dinge mehr.

Im Mai werde ich nach Kanada fliegen um dort den kompletten Innenausbau, Dämmung, Außenverkleidung der Giebelwände zu erledigen. Auch dort muss noch Wasser, Abwasser und Schornstein eingebaut werden. Fußbodenbeläge, Innenwände, Sanitär und was man halt noch so erledigen muss. Dafür habe ich etwa 1,5 Monate Zeit, bevor ich wieder zurück muss um hier den endgültigen Abflug vorzubereiten. Dafür wird mir dann Schlussendlich auch noch etwa 1,5 Monate zur Verfügung stehen und das ist nicht zuviel Zeit um alle Möbel und Habseligkeiten in die Container zu verfrachten und auf die weite Reise zu schicken.

Dazwischen muss ich sowohl in Kanada, als auch in Deutschland noch allerhand Bürokratie erledigen, was auch nicht ganz ohne ist. Etliche Dinge im neuen Haus müssen fertig werden, sonst bekomme ich die Abnahme nicht und wir dürfen nicht einziehen. Das würde uns dann in der Tat vor große Probleme stellen. Lösbar ist alles, aber der Aufwand steigt halt enorm.

Ich bin zuversichtlich, dass ich all die Dinge in den Griff bekomme. Unter Druck bin ich eigentlich am Leistungsfähigsten. Trotzdem sind all die „to do’s“ eben nicht zu vernachlässigen, will man nicht mit Vollgas an die Wand brettern und den Airbag zerheizen. Natürlich hat Auswandern auch Charme und Romantik, aber es ist auch wirklich ein hartes Stück Arbeit. Insbesondere wenn man hier noch Eigentum und Liegenschaften hat.

Mit dem Beladen der Container, ist die Auswanderung nun auch wirklich spürbar angekommen. Immer mehr Schränke leeren sich, im Bücherregal stehen nur noch einige Exemplare, die noch verschenkt oder verkauft werden. Schubladen die man eigentlich nicht mehr geöffnet hat (wegen all der gesammelten Werke), sind nun leer und aufgeräumt. Es ist zum Teil wirklich eigenartig. Ein wirklich schöner Aspekt ist die Selektierung. Solange Unmengen an Stauraum zur Verfügung steht, hebt man Dinge auf die eigentlich auf den Müll gehören. In der neuen Heimat wird man also ein sehr aufgeräumtes Leben beginnen können, was mir sehr entgegen kommt.

Was ich aber auf jeden Fall eingesehen habe, man muss seine Belastungsgrenzen rechtzeitig erkennen und einen Gang runterschalten. Was nicht geht, geht eben nicht. Im Notfall muss man halt Geld in die Hand nehmen und die Dinge von jemandem erledigen lassen.

Carpe diem


7 Responses to Die mentale Belastungsgrenze

  1. chris123 sagt:

    Alle Achtung! Jetzt sicher voll der Stress, aber danach wird es um so schöner 😉

  2. Nver2Much sagt:

    Beim Ausmisten, nehme ich mir die Zeit, darüber nachzudenken, hast Du es die letzten 4 Jahre gebraucht?

    Wenn Nein, was willst Du damit?

    Ist es ein Erbstück, behalte es, wenn es Dir was wert ist, ansonsten, entsorge es.

    Ob in Ebay, oder im Wald 🙂

  3. Nver2Much sagt:

    Heutzutage ist es wohl besser auf dem Marktplatz, als im Wald.

    Es gibt so viele Menschen, die etwas mit Deinem „Schrott“ anfangen können.

    Wir sollten einfach nur mal damit anfangen.

  4. Irmonen sagt:

    Eine gute Gelegenheit so ein Umzug, zum Durchsortieren und Ballast loswerden, und sehr viel Arbeit. Das unterschätzt man schnell mal. Ich habe das weitestgehend hinter mir. Dann noch die „Feinarbeit“, so einzelne Schubladen.

    Zwischen einer reichhaltigen Fülle und den entlastenden Basics und Notwendigkeiten zu pendeln, abzuwägen, auch nicht so leicht.

    Also immer mal wieder eine Regenerationspause einlegen. Habe von einem Hochleistungssportler gelesen: wichtig ist das regenerieren können, nicht die Leistung immer mehr steigern durch sich antreiben.
    ´
    Deshalb: auch mal zwischendurch gut relaxen nicht vergessen….!

  5. chris123 sagt:

    Wenn Künstler im Westen schon politisch verfolgt werden, ist das kein gutes Zeichen. Erst recht nicht, wenn man davon ausgehen muss, dass es deswegen ist, weil sie weitestgehend die Wahrheit sagten. Mir fällt auf, dass gerade im Musikbereich das inzwischen umgeht. Im Sportbereich wird es auch schon zunehmend probiert, klappt aber noch nicht ganz. Siehe FIFA 2018 Russland Boykottversuche. Wobei Sochi 2014 ja schon schwer in diese Richtung ging.

    Hier ein neuer kanadischer Fall:

    http://de.sputniknews.com/kultur/20150407/301803303.html

  6. superomega sagt:

    Richtig, Du bist in erster Linie ein Mensch. Respekt, wie Du alles auf die Reihe bekommst. Bei Dir soll alles Hand und Fuß haben und in der Regel bekommst Du das auch hin. Darum sind Deine Artikel die Du schreibst nicht einfach 0815 sondern haben eine gute Konsistenz. Viel Erfolg für Dich und Deine Familie.

  7. R2D2 sagt:

    @ jens

    such dir mal nen mieter für die hütte, die noch nicht fertig ist, der handwerklich begabt ist, lass ihn 6 monate mietfrei wohnen, dafür macht er dir die hütte fertig. gibt genug diese freaks!!

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