US Behörde verkauft sensible Frachtdaten
Hochsensible Sendungsdaten, die für alle Exporte in die Vereinigten Staaten vor der Verschiffung dem amerikanischen Zoll gemeldet werden müssen (Automated Manifested System), können im Internet von einer amerikanischen Firma gegen Entgeld erworben werden, um Mitbewerber auszuspionieren und zu beobachten. Legal.
Waren die bisherigen Ziele im weltweiten Handel, die Abwicklung der Warenströme zu erleichtern und die Handelsbeschränkungen abzubauen, so führten die Terroranschläge auf das WTC am 11.September 2001 durch das erhöhte Sicherheitsbedürfnis, insbesondere der USA, aber auch der EU- bzw. G8-Staaten in den darauffolgenden Jahren zu beträchtlichen Einschränkungen im weltweiten Handel. Die Anschläge in Madrid, London, Djerba und Bali verstärkten diesen Trend.
Im Jahr 2002 wurde als direkte Antwort auf die Terroranschläge 9/11 die Sicherheitsbehörde ß?Department for Homeland Securityß? (Heimatschutzministerium der Vereinigten Staaten) (1) geschaffen. Sie ist mit 200.000 Beschäftigten nach dem Pentagon und der Rentenorganisation die drittgrößte Bundesbehörde der Vereinigten Staaten. Von dieser Behörde werden Sicherheitsstrategien zur Gefahrenabwehr entworfen, die von der internationalen Staatengemeinschaft, insbesondere von Ländern, die regen Handel mit den USA betreiben, übernommen werden.
Die zentralen Befürchtungen der USA sind, dass über die gängigen Transportwege (LKW, Flugzeug, Schiff) Materialien und Geräte eingeführt werden, die Terroristen als Anschlagsmittel dienen könnten. Um dieser Gefahr vorzubeugen wurden die Staaten u.a. aufgefordert, vom amerikanischen Heimatschutzministerium ausgearbeitete Sicherheitsstandards in den Frachtbereichen an Flughäfen und Seehäfen einzuführen, z.B. dem Anlegen von Sicherheitszonen, verstärkten Zugangskontrollen und Sicherheitsschulungen für Angestellte und Arbeiter. Weitere Maßnahmen müssen von Spediteuren und Versendern getroffen werden, um den Status eines sicheren Versenders zu erhalten. Mit dieser Klassifizierung soll sichergestellt werden, dass für die Vereinigten Staaten bestimmte Exportsendungen sicher gelagert und befördert werden und eine lückenlose Schnittstellenkontrolle zwischen allen Beteiligten gewährleistet ist.
Das aus Datenschutz gesehen sensibelste Thema stellt jedoch das sogenannte Automated Manifested System (AMS) dar – ein automatisches Informationssystem, dass seit 2002 im Einsatz ist. Im Seefrachtverkehr werden die Sendungs- und Versanddaten von Exporten in die Vereinigten Staaten 24 Stunden vor der Verschiffung via elektronischer ßbermittlung direkt an den amerikanischen US Zoll gesendet, mit darauffolgender Datenprüfung und ggfs. der endgültigen Freigabe zum Versand. Folgende Informationen sind beim AMS Filing u.a. enthalten: Versender / Empfänger / Warenart / Warenwert / Gewicht / Spediteur / Container Nummer / Schiff / Empfangshafen.
Das sind die selben Daten, die ß?ImportGeniusß? im Internet (2) gegen entsprechendes Entgelt per Monatsmitgliedschaften, die mehrere hundert Dollar kosten, erworben werden können:
ß?Track Ams Filing Shipments, Search millions of import – export recordsß?
Das Unternehmen bietet seinen Kunden Zugang zu Echtzeit-Informationen über alle Waren, die in die Vereinigten Staaten eingeführt werden. Es kann mühelos nach Lieferant, Empfänger, Warenart etc. recherchiert werden. Wortlaut der deutschsprachigen Webseite von ImportGenius (3):
– Unterwandern Sie Ihre Konkurrenz. Analysieren Sie ihre Import-Aktivitäten und identifizieren Sie ihre Lieferanten. Entdecken Sie ihre neue Bemühungen.
– Überwachen Sie Ihre Lieferanten durch beobachten ihrer Anlieferungen. Identifizieren Sie Bedrohungen und Möglichkeiten. Entdecken Sie die Firmen, die mogeln.
– Bevollmächtigen Sie sich. Denn auch das Wissen selbst ist eine Macht. Unsere Datenbank enthält erst gestern Informationen der US Zoll-Container-Verschiffungen.
Doch nicht nur zur Konkurenzbeobachtung wird ImportGenius von Außenhandelsfirmen genutzt, auch Aktienanalysten haben das Tool zur Bewertung von börsennotierten Firmen längst für sich entdeckt. Spezialisten können aufgrund von Transportbewegungen (Frequenz, Menge, Ware) ihre Schlüsse ziehen, ob ein neues Produkt in der Auslieferungsphase ist bzw. ob eine neue und bisher nicht veröffentlichte Produktlinie auf seine Käufer wartet.
Die Sicherheit ist durch das Automated Manifested System keineswegs gewährleistet, denn in den Versanddokumenten, Handelsrechnungen und Packlisten würden potentielle Terroristen, die vermeintlich gefährliche oder explosive Waren bzw. Waffen in einem Seefrachtcontainer befördern, diese kaum als solche deklarieren, geschweige denn sich mit ihrem wirklichen Namen als Versender ausgeben. Die Kosten für die Implementierung solcher aufwendigen IT-Systeme für Versender, Spediteure und Reeder sind nicht zu knapp, alternativ bieten Drittanbieter entsprechende Dienstleistungen gegen Entgelt an. Für Verstöße gegen die Auflagen des AMS Filing (seit dem 26.9.2009 um das ISF Filing erweitert) werden seitens der amerikanischen Behörden 5000$ ß? 1000$ erhoben. Container müssen zudem viel eher am Hafen angeliefert werden. Dies sind Einschränkungen im weltweiten Handel, mit denen weitere Geschäftszweige, oft auch zu Lasten der Steuerzahler, künstlich erschaffen wurden. Mehr Bürokratie, Arbeitsaufwand, Inspektionen und notwendige Investitionen für IT-Programme, die keinen direkten Nutzen haben, machen es der Transportkette vor allem im Ausfuhrland bei einem Seefrachttransport nicht ß?just in timeß? (Versender ß? Spediteur ß? Reeder ß? Schiff – Zoll).
Sicherheit hin oder her ß? ein Handel von hochsensiblen Daten zwischen einer amerikanischen Behörde und einer amerikanischen Firma kann der verladenden Wirtschaft in Europa oder China teuer zu stehen kommen und es ist fraglich, warum kein Politiker und kein Wirtschaftsverband sich gegen dieses Informationssystem auflehnt. Denn auch in moralischer Hinsicht ist es mehr als verwerflich, wenn Konkurrenten auf jetzt legalem Weg gegen eine entsprechende Mitgliedschaft ausspioniert werden können. Gute Geschäfte machen dann nicht mehr die Firmen mit dem besten Know How oder der besten Qualität ihrer Produkte, sondern diejenigen mit dem größten Geschick, sich Informationen über Mitbewerber zu beschaffen mit entsprechenden finanziellen Aufwendungen.
Es könnte sich um ein neue von den USA legalisierte und kommerzialisierte Art von Wirtschaftskriminalität handeln, die aber in Zeiten, in denen die USA Bankdaten eines jeden EU-Bürgers einsehen kann, kaum in der ßffentlichkeit wahrgenommen wird. Der verladenden Wirtschaft in exportorientierten Staaten wie Deutschland oder ßsterreich bleibt nichts anderes übrig als in den sauren Apfel zu beißen und sich den Bestimmungen, die von der amerikanischen Heimatschutzbehörde kommen, zu beugen.
Dies ist ein weiterer Beweis, mit welcher Normalität die Gesellschaft und die Politik mit solchen amerikanisch-legalisierten Geschäftspraktiken mittlerweile umgeht und wie stark die wirtschaftlichen und politischen Abhängigkeiten zwischen der EU und den USA sind.
(1) http://www.dhs.gov/xnews/releases/pr_1227548591399.shtm
(2) http://www.importgenius.com
(3) http://www.importgenius.com/deutsch
Mit freundlicher Genehmigung von
http://www.sparkonzepte-online.de/html/automated_manifest_system_usa.html
Carpe diem
5 Responses to US Behörde verkauft sensible Frachtdaten
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Wer steckt hinter den Kommentaren Cheffe ?
Wer oder was bist Du Cheffe?
Sensible Daten? Es gibt vertrauliche Daten, aber Daten sind nun wirklich nicht „sensibel“. Daten leben ja nicht.
Besonderer Schutz für sensible Daten —>Stern
So schätzen Sie sensible Daten—>Computerwoche
Berlin fragt sensible Daten von Bewerbern ab —>Wirtschaftswoche
Ich habe mir mal nur die ersten 3 geschnappt, weil es sonst zur Lebensaufgabe wird. Wenn du die Härchen suchst 😉 da gibts ein paar Möglichkeiten zum kommentieren.
Carpe diem
Welche Daten vertraulich sind und welche nicht kann man definieren wie man will. Vertrauliche Daten würde ich eher persönlichen Daten zuordnen.
Kein Härchen, sondern Aufklärung. Sonst springt man auch nicht auf die Mainstreampresse an?