Roubini: „Griechen müssen sich an IWF wenden. Nicht anders herum.“

Nouriel Roubini erklärte am Samstag im  Interview mit Bloomberg News (hier in Auszügen), dass massive weltweite Staatsverschuldungen zu einem Erwachen an den globalen Bondmärkten führen werden. Den Griechen empfiehlt er, sich um Hilfe an den IWF zu wenden. Anders herum sei es noch nie gelaufen. Und das würde auch so bleiben.

Moderator: Im letzten Jahr waren es Dubais Schulden, die die Finanzmärkte durchschüttelten. Jetzt dreht sich alles um die massiven Schulden von Griechenland, Spanien und Portugal. Unser nächster Gast sagt, dass die weltweit zu hohen Staatsschulden noch bedrohlicher sind als nur diejenigen, der aufgezählten Länder. Und das ist Nouriel Roubini, Chef von Roubini Global Economics und Professor an der Stern School of Business der Universität von New York. Wir bedanken uns, dass Sie heute hier sind.

Roubini: Es ist mir eine Freude, bei Ihnen sein zu dürfen.

Moderator: Bevor wir zu den weltweit ausstehenden Staatsschulden kommen, lassen Sie uns bitte über das G-7-Treffen sprechen. Was ist Ihr Eindruck? Wie stellt sich die Entwicklung dar?

Roubini: Oh, es geht um einige wichtige Dinge. Dazu gehören der ökonomische Ausblick, die Reform der globalen Finanzmärkte, eine verbesserte Bankenaufsicht, die chinesische Währung, Spannungen in den Handelsbeziehungen.

Moderator: Es wird also kaum zu wenige Themen geben, über die zu diskutieren ist.

Roubini: Ja. Es gibt eine ganze Menge Volatilitäten in der globalen ßkonomie. Sicher.

Moderatorin: Wenn Sie die plötzlichen Abschläge an den Märkten aus den letzten Wochen berücksichtigen, für die vordergründig die massiven Staatsverschuldungen verantwortlich gemacht werden, über was sollten die G-7-Staaten dann tatsächlich sprechen in der jetzigen Situation?

Roubini: Nun, über was gesprochen werden muss, sind definitiv die Probleme um die massiven Staatsverschuldungen, was momentan insbesondere für die Eurozone gilt. Die Probleme um Griechenland nehmen hier einen zentralen Platz ein. Sie machen die Märkte äußerst nervös, so dass diese Angelegenheit kritisch betrachtet werden muss.

Moderatorin: Sie sind jedoch der Meinung, dass hierfür eine Lösung gefunden wird, ist das richtig?

Roubini: Ja, ich bin davon überzeugt, dass auf die ein oder andere Art eine Lösung geben wird. Entweder wird sich Griechenland hilfesuchend an den IWF wenden. Dies wäre aus meinem Blickwinkel der beste Lösungsansatz. Denn sogar unter der Prämisse, dass Griechenland zukünftig alles richtig machen sollte, brauchen sie jemanden, der Geld auf den Tisch legt. Anderenfalls wird es zu einer großen Refinanzierungskrise kommen.  Griechenland hat das Vertrauen der Märkte verloren. Sogar wenn sie also alle versprochenen Fiskaladjustierungen und andere Reformen umsetzen, stehen immer noch rund $50 Milliarden aus, die kurzfristig zur Erneuerung anstehen. Und solange es keine Zusage für eine Unterstützungszahlung durch den IWF oder die EZB kommt, werden sie definitiv ein Refinanzierungsproblem bekommen.

Moderator: Ist der IWF nicht vielleicht ein wenig zurückhaltend aufgrund der Involvierung von Brüssel?

Roubini: Nein, ich denke, dass der IWF auf jeden Fall darauf vorbereitet sein wird, um Griechenland zu unterstützen. Der IWF kann sich nicht von selbst an Griechenland wenden, sondern das Ganze muss anders herum ablaufen. Jedoch ist der IWF dazu bereit, jedwedem Land zu helfen, egal ob es sich beim jeweiligen Mitgliedsland um eine Industrienation oder ein Schwellenland handelt. Sie alle können auf Ressourcen des IWF zurückgreifen. In den 1970iger Jahren steckten sowohl Griechenland als auch Italien in Problemen. Es wäre die richtige Lösung.

Moderator: Warum hilft die EU hier nicht an erster Stelle? Wäre es nicht vergleichbar mit einer Situation, wenn der IWF einschritte, um Kalifornien zu unterstützen?

Roubini: Nun, die EU hat leider keinerlei Regularien, die dabei hilfreich wären, Druck auf das jeweilige Land auszuüben, das finanziell unterstützt wird oder dem jeweiligen Sünder Strafzahlungen aufzuerlegen. Der IWF hat dagegen Polizist gespielt in den letzten 50 Jahren. Nun wendet sich Griechenland an die EU, das Geld würde kommen seitens der EZB. Die EZB ist unter Berücksichtigung ihrer Kompetenzen jedoch lediglich eine Autorität auf dem geldpolitischen Spielfeld. Wenn die EZB den Griechen Kapital zur Verfügung stellen würde, wäre dies nichts anderes als ein Bailout. Die Aufgabe des IWF ist es jedoch, Not leidenden Staaten Kapital zur Verfügung zu stellen und damit Hand in Hand gehend die notwendigen Reformen in diesen Ländern zu diktieren und zu überwachen. Es ist immer Aufgabe des IWF gewesen. Und die Griechen sollten das endlich verstehen.  Griechenland trägt bereits das Stigma, sich an den IWF um Finanzhilfen wenden zu müssen, jedoch ist der gesamte Fall bei Licht besehen schlimmer. Selbst wenn sie alles richtig machen würden jetzt, wozu die Adjustierung der Finanzpolitik und politische Reformen gehören, würde es keine eineinhalb Jahre dauern, bis erneut eine Vertrauenskrise aufkäme. In der Zwischenzeit hätten internationale Investoren das Land und seine Wirtschaft immer weiter auf den Boden der Realitäten gedrückt. Und alles würde noch schlimmer. Ohne Geld von Dritten auf dem Tisch, die Zahlungsverpflichtungen garantieren, wird es früher oder später zu einer lokalen Finanz- und Währungskrise kommen. Und Beispiele für eine erfolgreiche Reformierung unter Aufsicht des IWF gibt es in der Vergangenheit genug. Nehmen sie die Türkei, Südkorea, Mexiko oder auch Brasilien.

Moderatorin: Läuft die Eurozone Gefahr auseinander zu brechen?

Roubini: Noch nicht jetzt. Aber dies ist sicherlich der erste große Test der Elastizität der Eurozone. Es liegen finanzpolitische Probleme vor in Griechenland, Italien, Spanien und Portugal. Ebenso gibt es ein Wettbewerbsproblem in diesen Ländern. Die Arbeitskosten sind in der letzten Dekade stark gestiegen. Dadurch haben sie Marktanteile eingebüßt an China und andere asiatische Länder. Das Problem stellt sich also auf zweierlei Weise dar. Zu einem Finanz- gesellt sich ebenfalls ein Wettbewerbsproblem. Wenn diese Länder ihre finanzpolitischen Probleme nicht bald in den Griff bekommen, wird es wohl dazu kommen, dass einige von ihnen aus der Union austreten werden.

Moderatorin: Ich möchte nachhaken. Glauben Sie, dass die Eurozone in fünf Jahren noch bestehen wird?

Roubini: Ich weiß es nicht. Für den Moment würde ich sagen ja. Allerdings ist dies auch erst der erste Test, dem sich die Gemeinschaft stellen muss. Und wenn die Griechen sich letztendlich nicht zu Adjustierungen durchringen können, wird die EZB nichts anderes tun können, als dem Land einen Bailout zu liefern, da die Alternative der Kollaps der Eurozone wäre. Die Deutschen, Franzosen wie auch die EZB sind zu sehr involviert und überdies Unterstützer der Währungsunion. Somit glaube ich nicht, dass sie es den Griechen erlauben werden, den Kollaps der Eurozone herbei zu führen.

Moderator: Griechenland, Spanien, Italien, Portugal, Irland ß? alles große Probleme, nicht wahr?

Roubini: Ja, definitiv. Wenn sich nur einer von ihnen in Problemen befindet, kann die EZB sie letztendlich heraus kaufen. Falls sich jedoch zu einem Land noch weitere Länder hinzu gesellen sollten, bin ich davon überzeugt, dass der politische Wille Deutschlands und Frankreichs wie auch die geldpolitische Unterstützung der EZB an einer Grenze anlangen würden.

Moderatorin: Sie sagten eingangs, dass das nicht alle Probleme seien. Es gäbe da noch größere.

Roubini: Ja. Alles was wir in den letzten Jahren getan haben, war, die privaten Verluste zu sozialisieren in Europa wie auch in den USA. Das gilt auch für Industrieländer wie Großbritannien und Japan. Jetzt explodieren die Schulden im staatlichen Sektor. Reflektiert wird das durch die riesigen Budgetdefizite. Die ausstehenden Staatsschulden werden sich durchschnittlich verdoppeln in den Industrieländern. Der Finanzkrach spielt sich heute also ab in Griechenland und der Eurozone. Aber morgen kann es schon Irland, Großbritannien, Deutschland, die USA oder Japan treffen. Die Bondmärkte werden zu einem gewissen Zeitpunkt schließlich aufwachen und sogar gegenüber den USA zum Ausdruck bringen, dass diese riesigen Budgetdefizite und die anhaltende Monetisierung ausstehender Schulden nicht mehr tragbar sind.

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