Von Lissabon nach Shanghai – Der neue Weg der Türkei?

Bei der Kurzvisite des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan in Berlin stand das Thema EU-Beitritt auf der Tagesordnung. Bundeskanzlerin Merkel sagte, dass sie die Beitrittsverhandlungen als ergebnisoffenen Prozess betrachte. Es sei kein Geheimnis, dass sie einer Vollmitgliedschaft skeptisch gegenüberstehe. Die oft erwähnte Strategische Partnerschaft sei ihr lieber. Für Erdogan ist eine EU-Mitgliedschaft längst nicht die einzige Option. Bei einem Staatsbesuch im November letzten Jahres in Russland bemerkte er erneut, dass sie ihre Bemühungen in die EU einzutreten aufgeben würden, falls die Shanghai Cooperation Organization (SCO) der Türkei eine Vollmitgliedschaft anbieten sollte.


Zur Bekämpfung des Terrorismus wurde 2001 die Shanghai Cooperation Organization(SCO) gegründet. Zu den sechs Mitgliedstaaten gehören China, Russland, Kasachstan, Kirgisistan, Usbekistan und Tadschikistan. Sie umfasst ca. 60 Prozent der Fläche Eurasiens und ein Viertel der Weltbevölkerung. Die Mongolei, Indien, Pakistan, Iran und seit Juni 2012 Afghanistan haben Beobachterstatus. Die Türkei hat im Oktober 2011 einen Antrag auf eine Dialogpartnerschaft bei der SCO gestellt, dem im folgenden Jahr stattgegeben wurde.

oguz_ikn_h2Die SCO ist eine Organisation, die Schwierigkeiten hat ihre Identität zu definieren. Sie ist offiziell eine auf innere Gefahren ausgerichtete Sicherheitsgemeinschaft. Der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang sagte, dass die Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit hauptsächlich auf ökonomische Kooperationen fokussiert sein sollte, welche auch Sicherheitskomponenten – insbesondere die Bekämpfung des Terrorismus und des Drogenhandels – enthalte. Sowohl die Wettbewerbssituation als auch Konflikte der Mitglieder untereinander sowie stockende Wirtschaftsprojekte stellen sich jedoch als hohe Hürden für gemeinschaftliche Initiativen heraus. Vielmehr nutzt das dominierende China die Allianz für ihre bilateralen Geschäfte. Peking treibt die Verhandlungen für die Gründung einer Freihandelszone innerhalb der SCO voran. Die Handelsbeziehungen zwischen China und der Türkei haben in den letzten Jahren stetig zugenommen. Der bilaterale Handel überschritt 2000 die ein Mrd. Dollar Marke und lag 2012 bei über 24 Mrd. Dollar. Das Reich der Mitte stellt mittlerweile den drittgrößten Handelspartner der Türkei dar.

Im verteidigungstechnischen Sinne wurde die SCO teils als „NATO des Ostens“ oder sogar als „Anti-NATO“ bezeichnet. Es handelt sich nicht um eine Militär-Allianz im traditionellen Sinne; feststehende Strukturen und Hierarchien wie beim Warschauer Pakt sind nicht gegeben, und es wird (noch?) nicht als Gegengewicht zur NATO wahrgenommen. Falls Staaten mit Beobachterstatus zu Vollmitgliedern werden sollten, könnte sich die Sichtweise darauf im Westen auch ändern. Schnittmengen bei außen- und verteidigungspolitischen Interessen – in erster Linie zwischen Russland und China – sind gegeben, was insbesondere auch bei den Konflikten um Syrien und Iran deutlich wird.

Die Türkei ist das erste NATO-Land, das den Status eines Dialogpartners in der SCO inne hat. Die türkische Regierung sagte, dass die Beziehungen zur Organisation dadurch gestärkt werden, primär in den Bereichen Wirtschaft und Transportwesen. Die Rüstung betreffend sind die Beziehungen zwischen der Türkei und China bereits enger geworden. Die Absicht Erdogans Luft- und Raketen-Systeme aus chinesischer Produktion zu kaufen, ist bei den anderen NATO-Mitgliedern auf Kritik und Unverständnis gestoßen. Die USA haben ihrer Verärgerung darüber mit klaren Worten Ausdruck verliehen. Sie haben sogar von Verrat gesprochen. Denn das chinesische Rüstungsunternehmen CMPIC steht in den USA auf einer schwarzen Liste, weil es Waffenembargos gegen den Iran, Nordkorea und Syrien gebrochen hätte. Auf Drängen Amerikas hat die Türkei mittlerweile merklich zurückgerudert. Es ist inzwischen davon die Rede, auch offen für Alternativen zu sein und NATO-kompatible Systeme aus den USA zu kaufen.

Laut der türkischen Tageszeitung Hürriyet sprachen Putin und Erdogan im November letzten Jahres über die Erfahrungen der Türkei mit EU-Verhandlungen. Der türkische Ministerpräsident sagte, dass 50 Jahre Erfahrungen schon Einiges seien. Sie sollten der Türkei erlauben in die SCO einzutreten und sie damit aus diesen Umständen zu befreien. Er sagte, dass sie dies wichtig nähmen und erinnerte ihn an das Gespräch von Januar 2013. Die Türkei würde der EU Lebewohl sagen, wenn sie in die SCO einträte. Die Organisation sei besser und viel mächtiger. Außerdem gäbe es gemeinsame Werte, die sie teilten. Wenn die SCO sie wolle, würden sie Mitglied werden. Erdogan hat klare Signale gesendet. Was als Strategische Partnerschaft im Raum steht, könnte gegebenenfalls mit der SCO eher zustande kommen als mit der EU. Durch die dynamische Verschiebung der Machtgleichgewichte auf der Welt wird die Türkei sich eines Tages eventuell nicht nach dem Lissabon-Vertrag richten, sondern nach den Regeln der SCO, die ihren Ursprung in Shanghai haben.

Bildquelle: Wiki – Dorian Jones


12 Responses to Von Lissabon nach Shanghai – Der neue Weg der Türkei?

  1. Tester sagt:

    Das wird das Imperium nie zulassen, vorher gibt es dort Bürgerkrieg und ein neues Kurdistan dazu.

  2. Ice-Dealer sagt:

    Imperium hin oder her
    gestern nacht wurden Gesetze erlassen, laut denen Internetseiten ohne Richterlicher Beschluss gesperrt werden dürfen (durch das Ministerium) und Vorratsdaten erhoben sowie ohne Kenntnissnahme der betroffenen herausgegeben werden dürfen.
    Zusätzlich zu vorheriger Einschränkung von freier Meinung und Presse. Hinzu kommt die höchste Zahl an inhaftierten Journalisten (lt DLF gestern).
    Ein solches Regime hat a) nichts in Europa verloren und b) muss durch mündige Bürger gestürzt werden.

  3. Ice-Dealer sagt:

    zum Artikel: jedem ist ja frei gestellt die Seite zu wählen , die er einnimmt. Ich kann verstehen, dass die Türkei sich von der EU hingehalten fühlt und entsprechend alternativen sucht. ich kann verstehen, dass die EU die Türkei nicht aufnimmt. Jeder, wie es ihm beliebt

  4. Tester sagt:

    lol, was ist denn das für ein Unfug? Die Gesetze haben wir schon lange (halbwegs verschleiert durch andere Wortwahl). Da passt es ja gerade zur EUSA.

  5. Frank H. sagt:

    Stimmt. Und das kommt ohne Erdogans Unterstützung. Seine Tage sind gezählt. Bevor die Wahl steigt, passiert noch was am Bosporus. Dann kommen die rosa-grünen Haremsdamen aus der EU und pusten Erdogan das Licht aus.
    Wetten das dieser Immam Gülen von des Götters Gnaden an die Macht kommt?!
    Und dann wird die Türkei in mindestens 3 Zonen zerschlagen werden. Die Pläne gibt es schon lange.
    Also don’t panic, its all the same shit.

  6. Frank H. sagt:

    Die Türkei kann mit dem Kompromiss, EU nein, NATO ja, gut leben!
    Die EUdSSR wird im Südwesten mit Billigarbeitern aus Afrika überrollt:

    „Massenansturm auf spanische Exklave: Mehrere Afrikaner tot

    Bei einem Massenansturm afrikanischer Flüchtlinge auf die spanische Nordafrika-Exklave Ceuta sind mindestens fünf Menschen ums Leben gekommen. Wie heute aus spanischen Polizeikreisen verlautete, waren mehrere Afrikaner auf der Flucht vor der marokkanischen Gendarmerie ins Meer gesprungen und ertrunken. Augenzeugen sprachen nach spanischen Medienberichten von acht Toten.

    Etwa 400 Flüchtlinge hatten versucht, von marokkanischem Gebiet aus über den Grenzübergang in die zu Spanien gehörende Stadt zu stürmen. Die marokkanischen Sicherheitskräfte hielten nach Angaben der spanischen Behörden den Ansturm auf.

    http://orf.at/stories/2217151/

  7. Frank H. sagt:

    Das Geheimnis warum die US Hedgefonds und das Militär not amused sind:

    Erdogan hat 2013 beim Wirtschaftsfeind China neuste Waffen erworben! Dazu noch das nette Treffen mit Putin. Das war dann zu Viel des Guten.

    http://www.rp-online.de/politik/tuerkischer-waffenkauf-in-china-veraergert-nato-aid-1.3772966

    Und patschpatschpatsch gab’s eine Massendemo in Ankara!

  8. Tranfunzel sagt:

    Ja und nein. Das Problem Erdogans ist seine Selbstherrlichkeit und ein Liebäugeln mit Ländern wie Saudi Arabien. Die Türkei hat sich sehr geandelt von der einstigen „Atatürk Türkei“ hin zu einem Land, wo „Kirche/Moschee“ eben nicht mehr so getrennt sind.

    Ein Kurdistan in klein gibt es schon und zwar die autonome Region im Nordirak, wo es auch Peschmerga gibt.
    Die PKK ist eine kommunistische Terrortruppe und ansonsten sind die meisten Kurden keine Moslems, sondern Yesiden. Die Moslems sagen, die Kurden würden den Teufel anbeten.

    Die Türkei kommt niemals in die EU. Das wäre schon fast Hochverrat.(denk an die Armenier Sache!)
    Sich der SCO anzuschließen ist eine andere Sache. Aber die übermächtigen Chinesen würde sie an die Wand fahren und die Regeln vorgeben.
    Übrigens wäre es mir neu, wenn das Ex kommunistische China etwas mit dem Koran/Islam am Hut hätte. Im Gegeteil. Aufstände irgendwelcher Uiguren z.B. werden sofort mit Militärgewalt nieder geknüppelt.
    Auch Putin liebt „seine“ Tschetschen nicht gerade. Hauptsache Sotchi bleibt erst mal ruhig.

    Wird der Handel innerhalb der SCO etwa in USD ausgeführt, oder nur darin berechnet? Wenn doch USD, würde das zeigen, wie witzlos das gesamte Unterfangen ist.
    Das Problem ist heutzutage, das „nationale Einzelstaaten“ es in dem von oben verordneten Globalisierungswahn sehr schwer haben. Ein „zwischen den Stühlen“ sitzen scheint bald unmöglich zu sein.

    Oder wir zerreißen die Türkei in kleine Teile und verteilen die Kuchenteile an verschiedene Blöcke. Sehr beängstigende Vorstellung für die Türken.

  9. Tranfunzel sagt:

    Och nö FrankH. Das Problem sehr vieler islamischer!! Länder ist, dass sich die Bevölkerung vermehrt wie die Kaninchen. Das sind Fakten, die man nachlesen kann.
    Das Verhalten mit dem Koran selber zu begründen ist sehr einfach.
    Es stimmt auch das Afrika ein „Problemkontinent“ ist. Den westlichen Ländern, der EU vorzuwerfen sie seien „egoistisch“ und hätten dieses Problem der Überbevölkerung verursacht, ist „linke Idiotie“.
    Niemand wird gezwungen, sich ein Mutterkreuz zu verdienen.

    Es gibt in Afrika auch andere Länder. Lies mal etwas über Uganda. Kongo (Ex belgisch Kongo) ist dagegen ein sehr heißes Pflaster. Auch Nigeria ist nicht ohne. Die Schuld immer „dem Westen“ zu unterstellen sollte überdacht werden.
    Ländern wie Marroco, Algerien und Tunesien gebe ich eine gewisse Entwicklungschance.

    Auch wenn das keiner hören will, so ist augenscheinlich das „muslimische Länder“ ganz besonders häufig Probleme haben.
    Das liegt schlicht daran, das der Islam keine Trennung von Moschee und Staat vorsieht. Islam ist also nicht nur eine Religion, sondern auch sehr stark „Politik“. Das wird besonders deutlich, wenn man lehrt man könne den Koran nur in seiner „heiligen arabischen“ Sprache „verstehen“. Wieso?? Das hat nämlich zur Folge, das dann alle muslimischen Länder arabisch sprechen müssen!!

    Solches Verhalten ist mir weder von jüdischer, noch christlicher Seite bekannt!! Natürlich kann man zum Zwecke des Studierens alter Quelltexte, aramäisch, hebräisch, altgriechisch oder latein lernen.

    Die westlichen (atheistisch, humanistischen) Länder bekommen es einfach nicht auf die Reihe, sich wirklich mit dem Koran auseinander zu setzen. Dazu muss man lesen, lesen und nicht „irgendwelche bezahlten Experten“ fragen.
    Ist es denn „verboten“, den Koran z.B. in deutsch zu lesen um heraus zu finden, was wirklich drin steht?

    Das Christentum hat sich spätestens seit der Zeit der Aufklärung „Bibelkritik“ gefallen lassen müssen. Das bei dieser Aktion auch gleich noch „jeglicher Glaube an den einen Gott“ regelrecht abgeschafft wurde, ist letztlich auch der Dummheit der Menschen selber zu zu schreiben, da sie zu faul (oder verblendet) waren, sich selber durch Lesen mit der Schrift auseinander zu setzen.

  10. Frank H. sagt:

    Markt und Währungsturbulenzen in frankfurt nach EZB Pressekonferenz:

    Guggt Euch mal die Bilder an. Genau um die Zeit wo Draghi spricht, säuft der Markt ab und der Euro samt Gold brechen aus.
    Da hat wer ordentlich umgeschaufelt mein Zero Hedge.

    http://www.zerohedge.com/news/2014-02-06/stocks-dump-euro-pumps-draghi-says-no-qe-discussed

    Hier liegt kein Computerfehler vor!

  11. Tester sagt:

    Was redest du denn? Afrika ist nach wie vor eine riesige Kolonie, selbstverständlich sind fast alle Probleme dort von „uns“ hier verursacht, nach wie vor.

    Beispiel:
    http://de.wikipedia.org/wiki/CFA-Franc_BCEAO
    http://de.wikipedia.org/wiki/CFA-Franc_BEAC

    Vor den Wahabbiten und Salafisten (die beide eine Britische Erfindung sind!!!) war der türkische Islam ganz anders unterwegs.

    Der Druck bz. auch oft Wunsch, viele Kinder zu bekommen, ist eben in allen rückständigeren Ländern und in allen Krisenzeiten zu beobachten. Das hat mit religion etc. mal gar nix zu tun, eher mit wirtschaftlicher und sozialer Entwicklungsstufe.

    Zwecks Arabisch, auch bei uns wurde die Bibel bis hin zu Luther nicht übersetzt und alle mussten Latein lernen.

  12. strom23 sagt:

    Und wo ist da jetzt das spektakuläre an der Meldung ?
    Der Ausbruch nach unten war fix bereinigt und kam vom Dax Future. In Zeiten von HFT sind solche Keile nichts
    ungewöhnliches mehr. Gold ist der Mark der derzeit wohl am meisten gemanaged wird. Jede größere Bewegung ist binnen 5-10 Minuten bereinigt. Auch die Korrektur die wir im Januar in so manchen Indizes hatten ist bereits zuende.
    Der crash auf den du wartest den wird es nur geben wenn ein Ereignis eintritt das große Teile der Welt betrifft und dieses Ereignis muß brutal überaschend sein aber selbst dann werden die Zentralbanken nochmal die Schleusen öffnen. Das ist genau das was Draghi meinte „Wir haben so viel Munition das wir auf alle Probleme jederzeit reagieren können“.
    Was jedoch derzeit wirklich ins Auge sticht sind die heftigen Bewegungen im Devisen Handel. Australischer Dollar, Yen, Lira, Rubbel usw. ich bin gespannt wann das erste Land an diesen Wechselkurs Schwankungen zerbricht.

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