GROSSBRITANNIEN HAT PROBLEME, TEIL EINER GRIECHISCHEN TRAGßDIE IST ES ABER NICHT

Zweifelsohne weiß man in Deutschland, was ß?Schadenfreudeß? ist. Der Versuch des deutschen Magazins Der Spiegel, das Vereinigte Königreich mit den Mühseligkeiten Griechenlands zu verbinden, treibt das Konzept jedoch zu einem boshaften und irrationalen Extrem, meint der kanadische Fondsmanager Marshall Auerback.

Von Marshall Auerback

Marshall Auerback, born July 27, 1959 in Toronto, Canada, is familiar with the international scenery of finance firsthand. After graduating ß?magna cum laudeß? in English and Philosophy from Queenß?s University in 1981 and receiving a law degree from Corpus Christi College, Oxford University, two years later, he was from 1983-1987 an investment manager at GT Management Ltd. in Hong-Kong.

From 1988-91, Mr. Auerback was based in Tokyo, where his Pacific Rim expertise was broadened to include the Japanese stock market. In 1992 he went to New York to ran an emerging markets hedge fund for the Tiedemann Investment Group until 1995. The next four years he worked as an international economics strategist for Veneroso Associates, which provided macroeconomic strategy to a number of leading institutional investors.

From 1999-2002, he managed the Prudent Global Fixed Income Fund for David W. Tice & Associates, a global investment management firm, and assisted with the management of the Prudent Bear Fund. Since 2003 he is serving as a global portfolio strategist for RAB Capital Plc, a UK-based fund management group with $2 billion under management. He is also co-manager of the RAB Gold Fund and an independent economic consultant for PIMCO, the worldß?s largest bond fund management group.

Moreover, he is a fellow of the Economists for Peace & Security (www.epsusa.org) and of the Japan Policy Research Institute in California (www.jpri.org). As Braintruster of the Franklin and Eleanor Roosevelt Institute, he is a frequent commentator at ß?New Deal 2.0ß? (www.newdeal20.org). At present, Mr. Auerback lives in Denver, U.S.A.

Zweifelsohne weiß man in Deutschland, was ß?Schadenfreudeß? ist. Der Versuch des deutschen Magazins Der Spiegel, das Vereinigte Königreich mit den Mühseligkeiten Griechenlands zu verbinden, treibt das Konzept jedoch zu einem boshaften und irrationalen Extrem. Laut dem Spiegel:

ß?…torkelt das Britische Pfund. Die Wirtschaft befindet sich in der schlimmsten Krise seit 1931 und das Land kam um Haaresbreite an einer tiefen Rezession vorbei. Spekulanten setzen gegen einen Aufschwung. Die Instabilität des Bankensektors hatte in Großbritannien einen nachteiligeren Effekt auf die Staatsfinanzen als in anderen Industrieländern. Londons Haushaltsdefizit wird dieses Jahr £186 Milliarden betragen (ß? 205 Milliarden bzw. $ 280 Milliarden) ß? ganze 12, 9 Prozent des Bruttoinlandprodukts.ß?  (http://www.spiegel.de/international/europe/0,1518,druck-683832,00.html)

Klingt ziemlich düster, insonderheit, da das britische Haushaltsdefizit größer ist als sogar das der ß?korruptenß? Griechen, die ebenfalls von den Deutschen in der Presse missbraucht und abgestraft werden für ihre mutmaßlichen finanziellen Verschwendungen.

Der Artikel selbst strotzt allerdings vor intellektueller Unredlichkeit. Man sollte nicht einfach  gedankenlos Staaten der Europäischen Währungsunion (EWU) ß? Deutschland eingeschlossen ß?, die über keine wirkliche fiskalische Autorität souveräner Staaten im eigentlichen Sinne des Wortes verfügen, mit solchen wie das UK verwechseln, das zum Glück  eine Regierung hat, die mit einem geldschöpferischen Monopol ausgestattet ist, welches flexible Wechselkurse zulässt (auch wenn die Briten das noch nicht wirklich herausgefunden zu haben scheinen). Und, so seltsam es auch klingen mag: Verschwendungen der öffentlichen Hand sind in diesen Zeiten der Vorsicht deutschen Stils vorzuziehen, denn wenn die Ausgaben und Kreditnahmen des privaten Sektors in den Ruhezustand übergehen, muss die Kreditnahme der  Regierung bedeutend gesteigert werden, um für Ausgleich zu sorgen. Selbst die französische Finanzministerin Christine Legarde scheint diese Tatsache zu verstehen ß? http://www.ft.com/cms/s/0/225bbcc4-2f82-11df-9153-00144feabdc0.html (und bekommt dafür den Druck ihrer deutschen ß?Partnerß? zu spüren). Ihre Verfehlung? Sie hatte die Kühnheit besessen, vorzuschlagen, dass Berlin erwägen möge, die Binnennachfrage anzukurbeln, um so Defizitländern dabei zu helfen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zurückzuerlangen  und die öffentlichen Finanzen in Ordnung zu bringen. Darauf hinweisend, dass ß?es derer zwei braucht, um Tango tanzen zu könnenß?, legte Lagarde nahe, dass eine erweiterte Fiskalpolitik hier eine Rolle spielen müsse, nicht nur schlicht ß?erzwungene Defizitprinzipienß?.

Gewiss, das ist in der Eurozone schwieriger zu bewerkstelligen angesichts der irrwitzigen Einschränkungen, mit denen als Beitrittsbedingungen zum Euro aufgewartet wird. Als Konsequenz dieser Regeln können die EWU-Nationen nicht einmal ihre eigene Region in angemessener Art und Weise führen. Sie haben ein System errichtet, das durchgängig die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ausgetrocknet hat und zunehmend höhere Arbeitslosigkeit mit sich brachte, die die jeweiligen Bevölkerungen zu tragen haben. In den Worten von Bill Mitchell (http://bilbo.economicoutlook.net/blog/?p=8761):

ß?Die Regeln, die die EU schuf und dann der EWU durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt des Maastrichter Vertrags auferlegte, gründeten nicht auf schlüssigen Modellen fiskalischer Nachhaltigkeit oder Variationen, durch die in diesen Volkswirtschaften den Schwankungen des Konjunkturzyklusß? begegnet werden könnte. Die Regeln tendieren unausgewogen gen hohe Arbeitslosigkeit und zur Wachstumsstagnation jener Sorte, die Europa seit Jahren verhext hat.ß?

Nachdem sie sichtlich versagt haben, ihren eigenen Landsleuten Wohlstand zu bringen, erachten es die Deutschen nunmehr als opportun, dem UK (im Anschluss an den Griechen, versteht sich) Nachhilfestunden erteilen zu wollen, und zwar aufgrund Großbritanniens ß?krassen Keynesismusß? (in den Worten von Axel Weber, dem Präsidenten der Deutschen Bundesbank).

Ohne Frage weist das UK ein paar Eigenschaften auf, die es mehr als zu einem bloßen Opfer der globalen Kreditkrise machen. Auf törichte Weise hat es seine Wachstumsstrategie zugunsten des Wachstums seines Finanzsektors ausgehebelt und zahlt nun den Preis für diese falsche Politik, insofern jener Sektor unweigerlich schrumpft und sich restrukturiert als Teil des BIP. Dieser strukturelle Gegenwind wird zweifellos die Regierungsverantwortlichen des UK nötigen, zu noch aggressiveren fiskalischen Positionen zu kommen als es normalerweise der Fall wäre. Das ist politisch problematisch in Anbetracht dessen, dass die große Mehrheit der britischen Politiker (und die der plappernden Meute in den Medien) noch immer der üblichen Defizit-Hysterie anhängen, die derzeit die ganze Welt heimsucht.[i] Die Realität ist aber, dass das UK beträchtlich größere finanzielle Handlungsspielräume besitzt als jedes Land der Eurozone, inklusive Deutschland.

Gehen wir zu den grundsätzlichen Prinzipien zurück: In einem Land mit einer Währung, die nicht konvertierbar ist in etwas Anderes als sie selbst (keine Gold-ß?Deckungß?, kein starrer Wechselkurs), kann der Regierung niemals das Geld für Ausgaben ausgehen, noch braucht sie jemals Gelder des privatwirtschaftlichen Sektors zu akquirieren, um Ausgaben tätigen zu können. Das bedeutet nicht, dass sich die Regierung nicht der Gefahr der Inflation, Geldentwertung oder Kapitalflucht als Resultat von Verschiebungen der Portfolio-Präferenzen des Privatbereichs ausgesetzt sähe; allerdings unterscheiden sich die Budgetbeschränkungen der Regierung, dem Inhaber des Geldschöpfungsmonopols, von dem, was die meisten Menschen von der klassischen ßkonomie gelehrt bekommen haben, die größtenteils von einem Goldstandard ausgeht, der mittlerweile gar nicht mehr existiert. Das britische Finanzministerium kürzt Ihnen eine Zuschussleistung, der Betrag wird Ihnen gutgeschrieben und dann werden einige Rücklagen bei der Bilanzaufstellung der Bank von England und den Banken eingebracht, um es der Zentralbank (in diesem Fall der Bank von England) zu ermöglichen, ihr Zinsziel zu erreichen. Wenn überhaupt, dann wäre ein wenig Inflation derzeit noch wahrscheinlich eine gute Sache, wenn man das vorherrschend hohe Niveau der Schulden im privaten Sektor bedenkt sowie das deflationäre Risiko, das die PRIVATEN Schulden aufgrund der natürlichen Einschränkungen bei Einkommen und Vermögen darstellen, die ohne die Möglichkeiten zur Steuereinnahme und Geldschöpfung auskommen müssen.

Im Gegensatz zu Deutschland oder jeder anderen EWU-Nation, gibt es keine Vorstellung ß?nationaler Kreditwürdigkeitß?, die hier zutrifft, dementsprechend spiegelt die Auffassung, dass Großbritannien dem Beispiel Griechenlands hin zum nationalen Selbstmord zu folgen habe, nicht anderes als die traditionelle deutsche Neigung zum Sado-Monetarismus und Dezifit-Reduktions-Fetischismus wider. Die Verpflichtung zur Kürzung des Defizits war es auch, die Japan während der 1990er und 2000er Jahre zum Scheitern verurteilte, als dümmlich voreilige Versuche der ß?Finanzkonsolidierungß? in Wirklichkeit die Haushaltsdefizite durch das Abwürgen der einsetzenden Wirtschaftsaktivität vergrößerten. Warum also sollte man die Haushaltspolitik enger gestalten, wenn die private Nachfrage saft- und kraftlos ist und die Arbeitslosigkeit noch immer hoch?

Man erinnere sich an ß?Accounting 101ß? (http://www.newdeal20.org/?p=8939). Das ist die Umkehrung von Außenhandelsbilanzdefiziten und die Zunahme von Fiskaldefiziten, die ein Land zum privaten Sparen bringt, KEINE DUMMEN SELBSTAUFERLEGTEN EINSCHRßNKUNGEN VORAUSGESETZT, wie jene von Deutschland im Stabilitäts- und Wachstumspakt vorgeschlagenen (der im übrigen in ß?Instabilitäts- und Nicht-Wachstumspaktß? umbenannt werden sollte). Idealerweise würden wir Defizite auf gutem Wege erreicht sehen wollen: nicht mit automatischen Stabilisatoren, die den Haushalt ins Defizit bringen, weil die Arbeitslosigkeit steigt und die Steuereinnahmen sinken, wenn die Privatnachfrage einbricht, sondern eines, in dem eine Regierung die Finanzpolitik benutzt, damit sichergestellt ist, dass die Nachfrage ausreicht, um hohe Beschäftigungsraten und privates Sparen zu unterstützen. Das würde das Wachstum stabilisieren und das Defizitbild verbessern. Wenn dies einmal erreicht wäre, sollten alle Bemerkungen von nationalen Insolvenzen (oder mehr ß?Griechischen Tragödienß?) aus der Welt geschafft sein.

Das UK könnte dieses schaffen, auch wenn seine politisch Verantwortlichen das nicht erkennen können. Nicht so jedoch in den Augen des Spiegel, der davor warnt, dass ß?…dem Vereinigten Königreich harte Zeiten bevorstehen, so harte sogar, dass keine der Parteien es wagt, das laut auszusprechen, was Viele in ihren Reihen bereits wissen. Die Briten können mindestens höheren Steuern und Gebühren entgegen sehen.ß? Und sehr viel geringerem Wachstum, wenn diesen Empfehlungen Folge geleistet wird.

Wir unterstellen, dass Etliche in Deutschland und im Rest Europas das begreifen. Daher muss man einmal der Frage nachgehen, welche anderen Motivationen hier am Werke sein könnten. Offensichtlich soll das Lenken der Aufmerksamkeit auf die öffentlichen Finanzen Großbritanniens und das Ziehen von fadenscheinigen Vergleichen mit Griechenland das Spekulationskapital dazu einladen, seine Augen von der Eurozone ab- und dem UK zuzuwenden. Angenommen, dass die angebliche ß?Griechische Lösungß?, die kürzlich von der Europäischen Kommission vorgeschlagen wurde, nichts gegen die untergründigen Probleme des Landes ausrichten wird, schickt es sich für die Eurozonen-Länder, die Aufmerksamkeit vorerst anderswo hinzulenken, ehe ihre gemeinsame Entschlossenheit, ihre Währungsunion zu verteidigen, abermals unter Beschuss gerät.

Und der Himmel möge verhindern, dass das UK erfolgreich sein wird (zugegebenermaßen unwahrscheinlich von heute aus betrachtet, wenn man sich den Mangel an britischen Politikern vor Augen hält, die verstehen, wie modernes Geld tatsächlich funktioniert). Sollte es nämlich die Ausgabenpolitik der Regierung Ihrer Majestät schaffen, eine Finanzpolitik durchzuführen, die zu mehr Beschäftigung und gerechtere Vermögensverteilung führt (zum Beispiel durch ein Arbeitsgarantie-Programm ß?  http://bilbo.economicoutlook.net/blog/?p=1541), was würde dann wohl die Reaktion in der Eurozone sein? Würde das nicht dafür sorgen, dass sich ihre Bürger zu fragen begännen, welche Art von betrügerischer Wirtschafts-ß?Expertiseß? ihnen durch ihre technokratischen Eliten über die letzten zwei Jahrzehnte verabreicht worden ist? Die gleiche Sorte von neoliberalem Schmarren, der den USA durch solche Gruppen wie der Concord Coalition verabreicht wurde.

Keine Frage, öffentliche Ausgaben sollten behutsam mobilisiert werden, damit sichergegangen wird, dass sie sich im Einklang mit dem nationalen Interesse befinden (und nicht dem von wirtschaftlichem Klüngel). Die Vorstellung jedoch, die Der Spiegel am Leben erhält, dass nämlich die Regierung irgendwie eingeschränkt sei durch selbst auferlegte Regeln, die mit der zugrunde liegenden Wirtschaft in keinerlei Verbindung stehen, ist eine Komödie, die eine Brechtß?sche Farce wert wäre. Unglücklicherweise ist dieser besondere deutsche Witz kein Grund zum Lachen.

ßbersetzung aus dem Englischen: Lars Schall.


[i] siehe hierzu auch ß?Marshall Auerback Fighting Deficit Hysteriaß?, veröffentlicht auf Business News Network am 11. März 2010 unter:

http://watch.bnn.ca/#clip275341

Marshall Auerback, born July 27, 1959 in Toronto, Canada, is familiar with the international scenery of finance firsthand. After graduating ß?magna cum laudeß? in English and Philosophy from Queenß?s University in 1981 and receiving a law degree from Corpus Christi College, Oxford University, two years later, he was from 1983-1987 an investment manager at GT Management Ltd. in Hong-Kong.

From 1988-91, Mr. Auerback was based in Tokyo, where his Pacific Rim expertise was broadened to include the Japanese stock market. In 1992 he went to New York to ran an emerging markets hedge fund for the Tiedemann Investment Group until 1995. The next four years he worked as an international economics strategist for Veneroso Associates, which provided macroeconomic strategy to a number of leading institutional investors.

From 1999-2002, he managed the Prudent Global Fixed Income Fund for David W. Tice & Associates, a global investment management firm, and assisted with the management of the Prudent Bear Fund. Since 2003 he is serving as a global portfolio strategist for RAB Capital Plc, a UK-based fund management group with $2 billion under management. He is also co-manager of the RAB Gold Fund and an independent economic consultant for PIMCO, the worldß?s largest bond fund management group.

Moreover, he is a fellow of the Economists for Peace & Security (www.epsusa.org) and of the Japan Policy Research Institute in California (www.jpri.org). As Braintruster of the Franklin and Eleanor Roosevelt Institute, he is a frequent commentator at ß?New Deal 2.0ß? (www.newdeal20.org). At present, Mr. Auerback lives in Denver, U.S.A.

Zweifelsohne weiß man in Deutschland, was ß?Schadenfreudeß? ist. Der Versuch des deutschen Magazins Der Spiegel, das Vereinigte Königreich mit den Mühseligkeiten Griechenlands zu verbinden, treibt das Konzept jedoch zu einem boshaften und irrationalen Extrem. Laut dem Spiegel:

ß?…torkelt das Britische Pfund. Die Wirtschaft befindet sich in der schlimmsten Krise seit 1931 und das Land kam um Haaresbreite an einer tiefen Rezession vorbei. Spekulanten setzen gegen einen Aufschwung. Die Instabilität des Bankensektors hatte in Großbritannien einen nachteiligeren Effekt auf die Staatsfinanzen als in anderen Industrieländern. Londons Haushaltsdefizit wird dieses Jahr £186 Milliarden betragen (ß? 205 Milliarden bzw. $ 280 Milliarden) ß? ganze 12, 9 Prozent des Bruttoinlandprodukts.ß? (http://www.spiegel.de/international/europe/0,1518,druck-683832,00.html)

Klingt ziemlich düster, insonderheit, da das britische Haushaltsdefizit größer ist als sogar das der ß?korruptenß? Griechen, die ebenfalls von den Deutschen in der Presse missbraucht und abgestraft werden für ihre mutmaßlichen finanziellen Verschwendungen.

Der Artikel selbst strotzt allerdings vor intellektueller Unredlichkeit. Man sollte nicht einfach gedankenlos Staaten der Europäischen Währungsunion (EWU) ß? Deutschland eingeschlossen ß?, die über keine wirkliche fiskalische Autorität souveräner Staaten im eigentlichen Sinne des Wortes verfügen, mit solchen wie das UK verwechseln, das zum Glück eine Regierung hat, die mit einem geldschöpferischen Monopol ausgestattet ist, welches flexible Wechselkurse zulässt (auch wenn die Briten das noch nicht wirklich herausgefunden zu haben scheinen). Und, so seltsam es auch klingen mag: Verschwendungen der öffentlichen Hand sind in diesen Zeiten der Vorsicht deutschen Stils vorzuziehen, denn wenn die Ausgaben und Kreditnahmen des privaten Sektors in den Ruhezustand übergehen, muss die Kreditnahme der Regierung bedeutend gesteigert werden, um für Ausgleich zu sorgen. Selbst die französische Finanzministerin Christine Legarde scheint diese Tatsache zu verstehen ß? http://www.ft.com/cms/s/0/225bbcc4-2f82-11df-9153-00144feabdc0.html (und bekommt dafür den Druck ihrer deutschen ß?Partnerß? zu spüren). Ihre Verfehlung? Sie hatte die Kühnheit besessen, vorzuschlagen, dass Berlin erwägen möge, die Binnennachfrage anzukurbeln, um so Defizitländern dabei zu helfen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zurückzuerlangen und die öffentlichen Finanzen in Ordnung zu bringen. Darauf hinweisend, dass ß?es derer zwei braucht, um Tango tanzen zu könnenß?, legte Lagarde nahe, dass eine erweiterte Fiskalpolitik hier eine Rolle spielen müsse, nicht nur schlicht ß?erzwungene Defizitprinzipienß?.

Gewiss, das ist in der Eurozone schwieriger zu bewerkstelligen angesichts der irrwitzigen Einschränkungen, mit denen als Beitrittsbedingungen zum Euro aufgewartet wird. Als Konsequenz dieser Regeln können die EWU-Nationen nicht einmal ihre eigene Region in angemessener Art und Weise führen. Sie haben ein System errichtet, das durchgängig die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ausgetrocknet hat und zunehmend höhere Arbeitslosigkeit mit sich brachte, die die jeweiligen Bevölkerungen zu tragen haben. In den Worten von Bill Mitchell (http://bilbo.economicoutlook.net/blog/?p=8761):

ß?Die Regeln, die die EU schuf und dann der EWU durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt des Maastrichter Vertrags auferlegte, gründeten nicht auf schlüssigen Modellen fiskalischer Nachhaltigkeit oder Variationen, durch die in diesen Volkswirtschaften den Schwankungen des Konjunkturzyklusß? begegnet werden könnte. Die Regeln tendieren unausgewogen gen hohe Arbeitslosigkeit und zur Wachstumsstagnation jener Sorte, die Europa seit Jahren verhext hat.ß?

Nachdem sie sichtlich versagt haben, ihren eigenen Landsleuten Wohlstand zu bringen, erachten es die Deutschen nunmehr als opportun, dem UK (im Anschluss an den Griechen, versteht sich) Nachhilfestunden erteilen zu wollen, und zwar aufgrund Großbritanniens ß?krassen Keynesismusß? (in den Worten von Axel Weber, dem Präsidenten der Deutschen Bundesbank).

Ohne Frage weist das UK ein paar Eigenschaften auf, die es mehr als zu einem bloßen Opfer der globalen Kreditkrise machen. Auf törichte Weise hat es seine Wachstumsstrategie zugunsten des Wachstums seines Finanzsektors ausgehebelt und zahlt nun den Preis für diese falsche Politik, insofern jener Sektor unweigerlich schrumpft und sich restrukturiert als Teil des BIP. Dieser strukturelle Gegenwind wird zweifellos die Regierungsverantwortlichen des UK nötigen, zu noch aggressiveren fiskalischen Positionen zu kommen als es normalerweise der Fall wäre. Das ist politisch problematisch in Anbetracht dessen, dass die große Mehrheit der britischen Politiker (und die der plappernden Meute in den Medien) noch immer der üblichen Defizit-Hysterie anhängen, die derzeit die ganze Welt heimsucht.[i] Die Realität ist aber, dass das UK beträchtlich größere finanzielle Handlungsspielräume besitzt als jedes Land der Eurozone, inklusive Deutschland.

Gehen wir zu den grundsätzlichen Prinzipien zurück: In einem Land mit einer Währung, die nicht konvertierbar ist in etwas Anderes als sie selbst (keine Gold-ß?Deckungß?, kein starrer Wechselkurs), kann der Regierung niemals das Geld für Ausgaben ausgehen, noch braucht sie jemals Gelder des privatwirtschaftlichen Sektors zu akquirieren, um Ausgaben tätigen zu können. Das bedeutet nicht, dass sich die Regierung nicht der Gefahr der Inflation, Geldentwertung oder Kapitalflucht als Resultat von Verschiebungen der Portfolio-Präferenzen des Privatbereichs ausgesetzt sähe; allerdings unterscheiden sich die Budgetbeschränkungen der Regierung, dem Inhaber des Geldschöpfungsmonopols, von dem, was die meisten Menschen von der klassischen ßkonomie gelehrt bekommen haben, die größtenteils von einem Goldstandard ausgeht, der mittlerweile gar nicht mehr existiert. Das britische Finanzministerium kürzt Ihnen eine Zuschussleistung, der Betrag wird Ihnen gutgeschrieben und dann werden einige Rücklagen bei der Bilanzaufstellung der Bank von England und den Banken eingebracht, um es der Zentralbank (in diesem Fall der Bank von England) zu ermöglichen, ihr Zinsziel zu erreichen. Wenn überhaupt, dann wäre ein wenig Inflation derzeit noch wahrscheinlich eine gute Sache, wenn man das vorherrschend hohe Niveau der Schulden im privaten Sektor bedenkt sowie das deflationäre Risiko, das die PRIVATEN Schulden aufgrund der natürlichen Einschränkungen bei Einkommen und Vermögen darstellen, die ohne die Möglichkeiten zur Steuereinnahme und Geldschöpfung auskommen müssen.

Im Gegensatz zu Deutschland oder jeder anderen EWU-Nation, gibt es keine Vorstellung ß?nationaler Kreditwürdigkeitß?, die hier zutrifft, dementsprechend spiegelt die Auffassung, dass Großbritannien dem Beispiel Griechenlands hin zum nationalen Selbstmord zu folgen habe, nicht anderes als die traditionelle deutsche Neigung zum Sado-Monetarismus und Dezifit-Reduktions-Fetischismus wider. Die Verpflichtung zur Kürzung des Defizits war es auch, die Japan während der 1990er und 2000er Jahre zum Scheitern verurteilte, als dümmlich voreilige Versuche der ß?Finanzkonsolidierungß? in Wirklichkeit die Haushaltsdefizite durch das Abwürgen der einsetzenden Wirtschaftsaktivität vergrößerten. Warum also sollte man die Haushaltspolitik enger gestalten, wenn die private Nachfrage saft- und kraftlos ist und die Arbeitslosigkeit noch immer hoch?

Man erinnere sich an ß?Accounting 101ß? (http://www.newdeal20.org/?p=8939). Das ist die Umkehrung von Außenhandelsbilanzdefiziten und die Zunahme von Fiskaldefiziten, die ein Land zum privaten Sparen bringt, KEINE DUMMEN SELBSTAUFERLEGTEN EINSCHRßNKUNGEN VORAUSGESETZT, wie jene von Deutschland im Stabilitäts- und Wachstumspakt vorgeschlagenen (der im übrigen in ß?Instabilitäts- und Nicht-Wachstumspaktß? umbenannt werden sollte). Idealerweise würden wir Defizite auf gutem Wege erreicht sehen wollen: nicht mit automatischen Stabilisatoren, die den Haushalt ins Defizit bringen, weil die Arbeitslosigkeit steigt und die Steuereinnahmen sinken, wenn die Privatnachfrage einbricht, sondern eines, in dem eine Regierung die Finanzpolitik benutzt, damit sichergestellt ist, dass die Nachfrage ausreicht, um hohe Beschäftigungsraten und privates Sparen zu unterstützen. Das würde das Wachstum stabilisieren und das Defizitbild verbessern. Wenn dies einmal erreicht wäre, sollten alle Bemerkungen von nationalen Insolvenzen (oder mehr ß?Griechischen Tragödienß?) aus der Welt geschafft sein.

Das UK könnte dieses schaffen, auch wenn seine politisch Verantwortlichen das nicht erkennen können. Nicht so jedoch in den Augen des Spiegel, der davor warnt, dass ß?…dem Vereinigten Königreich harte Zeiten bevorstehen, so harte sogar, dass keine der Parteien es wagt, das laut auszusprechen, was Viele in ihren Reihen bereits wissen. Die Briten können mindestens höheren Steuern und Gebühren entgegen sehen.ß? Und sehr viel geringerem Wachstum, wenn diesen Empfehlungen Folge geleistet wird.

Wir unterstellen, dass Etliche in Deutschland und im Rest Europas das begreifen. Daher muss man einmal der Frage nachgehen, welche anderen Motivationen hier am Werke sein könnten. Offensichtlich soll das Lenken der Aufmerksamkeit auf die öffentlichen Finanzen Großbritanniens und das Ziehen von fadenscheinigen Vergleichen mit Griechenland das Spekulationskapital dazu einladen, seine Augen von der Eurozone ab- und dem UK zuzuwenden. Angenommen, dass die angebliche ß?Griechische Lösungß?, die kürzlich von der Europäischen Kommission vorgeschlagen wurde, nichts gegen die untergründigen Probleme des Landes ausrichten wird, schickt es sich für die Eurozonen-Länder, die Aufmerksamkeit vorerst anderswo hinzulenken, ehe ihre gemeinsame Entschlossenheit, ihre Währungsunion zu verteidigen, abermals unter Beschuss gerät.

Und der Himmel möge verhindern, dass das UK erfolgreich sein wird (zugegebenermaßen unwahrscheinlich von heute aus betrachtet, wenn man sich den Mangel an britischen Politikern vor Augen hält, die verstehen, wie modernes Geld tatsächlich funktioniert). Sollte es nämlich die Ausgabenpolitik der Regierung Ihrer Majestät schaffen, eine Finanzpolitik durchzuführen, die zu mehr Beschäftigung und gerechtere Vermögensverteilung führt (zum Beispiel durch ein Arbeitsgarantie-Programm ß? http://bilbo.economicoutlook.net/blog/?p=1541), was würde dann wohl die Reaktion in der Eurozone sein? Würde das nicht dafür sorgen, dass sich ihre Bürger zu fragen begännen, welche Art von betrügerischer Wirtschafts-ß?Expertiseß? ihnen durch ihre technokratischen Eliten über die letzten zwei Jahrzehnte verabreicht worden ist? Die gleiche Sorte von neoliberalem Schmarren, der den USA durch solche Gruppen wie der Concord Coalition verabreicht wurde.

Keine Frage, öffentliche Ausgaben sollten behutsam mobilisiert werden, damit sichergegangen wird, dass sie sich im Einklang mit dem nationalen Interesse befinden (und nicht dem von wirtschaftlichem Klüngel). Die Vorstellung jedoch, die Der Spiegel am Leben erhält, dass nämlich die Regierung irgendwie eingeschränkt sei durch selbst auferlegte Regeln, die mit der zugrunde liegenden Wirtschaft in keinerlei Verbindung stehen, ist eine Komödie, die eine Brechtß?sche Farce wert wäre. Unglücklicherweise ist dieser besondere deutsche Witz kein Grund zum Lachen.

ßbersetzung aus dem Englischen: Lars Schall.


[i] siehe hierzu auch ß?Marshall Auerback Fighting Deficit Hysteriaß?, veröffentlicht auf Business News Network am 11. März 2010 unter:

http://watch.bnn.ca/#clip275341


3 Responses to GROSSBRITANNIEN HAT PROBLEME, TEIL EINER GRIECHISCHEN TRAGßDIE IST ES ABER NICHT

  1. Karl sagt:

    Es sollte hier aber auch ein Link zum „Spiegelfechter“ gesetzt werden. Denn dort ist dieser Artikel als Gastbeitrag erschienen.

    http://www.spiegelfechter.com/wordpress/2216/grossbritannien-hat-probleme-teil-einer-griechischen-tragodie-ist-es-aber-nicht

  2. roush sagt:

    Letztendlich ist es unerheblich, wo der Artikel seinen Ursprung hat. Für meine Lesart geht daraus hervor, in welcher KLEMME sich Europa befindet.
    Das ist ein Graus, wenn man weiß, wie demonstrativ offensichtlich die bereits wackelige EUnion zum Fraß vor die Bilderberger geworfen wird.

    Sicher gibt es Leute genug, die den Verantwortlichen „Händchen halten“, siehe Brüssel.
    Aber bis die Schnarchnasen sich eines Besseren besinnen, ist es zu spät für die EU und den EURO.

    Der ganze Irrsinn dauert nicht mehr lange und die Herrschaften haben sich selbst überlebt. Ohne einen Eintrag im Geschichtsbuch.

    Traurig nur, dass 800 Mio. Europäer diesen Wahnsinn mitmachen müssen.

    Wegen mir könnte die Brüssel-EU sofort ihre Pforten schließen. Ich glaube nicht, dass wir dann etwas vermissen.

    LG roush

  3. Cheffe sagt:

    @ Karl, mir hat Lars, also der Urheber dieses Beitrages, selbigen mit der Bitte um Veröffentlichung zugeschickt. Von daher denke ich nicht das dort eine Quellangabe angebracht oder nötig ist, da diese mir den Artikel selbst geschickt hat.
    Zuerst publiziert hat Ihn allerdings MMNEWS, für welchen Lars öfters schreibt 😉

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